Süddeutsche Zeitung

New York erlaubt Homosexuellen-Ehe:Yes they can

Es war ein langes Ringen - doch nun hat der Bundesstaat New York die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare legalisiert und damit die letzte rechtliche Ungleichheit für Homosexuelle aufgehoben. In New York City feierten Schwule und Lesben euphorisch auf den Straßen.

Jörg Häntzschel, New York

Es hätte viel früher passieren sollen. Nicht erst fünf Minuten vor Mitternacht. Nicht erst am Freitag, am Ende einer Woche, in der die Abgeordneten längst in die Sommerpause verschwinden wollten. Nicht erst 2011 oder 2009, als der erste Versuch kläglich scheiterte. Eigentlich schon vor Jahrzehnten.

Doch als Gouverneur Andrew Cuomo in der Nacht zum Samstag endlich das Gesetz unterzeichnete, das die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare im Bundesstaat New York legalisiert und damit die letzte rechtliche Ungleichheit für Homosexuelle aufhebt, wollte man nicht kleinlich sein. Sobald sich die Nachricht, dass das Gesetz mit 33 gegen 29 Stimmen angenommen war, über Twitter verbreitete, strömten im New Yorker West Village Tausende Lesben und Schwule auf die Straßen, tanzten, küssten sich, weinten und stießen mit Champagner an, um den historischen Durchbruch zu feiern.

Sie sangen: "I do"

Sie sangen "Somewhere over the rainbow", skandierten "I do, I do", ich will, wie Eheleute bei der Trauung. Und hatten sogar noch Selbstironie übrig: "Heiraten ist so schwul!", stand auf einem T-Shirt. Eine Stunde nach der Entscheidung erstrahlte das Empire State Building in den Farben des Regenbogens. Bürgermeister Michael Bloomberg nannte den Entschluss einen "historischen Triumph für Gleichheit und Freiheit".

Viele in der Menge planten schon ihre Hochzeit. Wie Ali Annunziato, die jubelte: "Ich will es dieses Jahres noch machen. Ich werde als Frau eine Frau heiraten, weil ich es jetzt darf, und weil ich verliebt bin." Robert German und Konstantine Malakos haben schon einen Termin: den 24. September. "In New York! Ganz legal!" Andere, die die Heiratsurkunde längst haben, erzählten von den lästigen und für stolze New Yorker beschämenden Reisen, die sie zum Heiraten nach Kanada oder in die Bundesstaaten unternehmen mussten, in denen die Schwulenehe zum Teil schon seit Jahren legal ist, nach Connecticut, Massachusetts, New Hampshire, Vermont und Washington D.C.

Dass das Gesetz gerade hier so spät durchkam, empfand man in New York als Schmach. Nirgendwo in den USA leben so viele Homosexuelle wie in New York. In keiner anderen Stadt ist die Szene so vital, nirgendwo ist ihr Einfluss auf Kultur und Lebensstil so stark. Mode, Musik, Medien und Kunst sind hier nicht vorstellbar ohne die Inspiration aus der schwulen Community, ohne deren Lebendigkeit und Wirtschaftskraft.

Und nicht zuletzt nahm die weltweite Bewegung gegen die Diskriminierung Homosexueller in New York ihren Ausgang. Während der Kriminalisierung und Repression von Homosexualität in der McCarthy-Ära und danach zogen Tausende von Schwulen aus dem ganzen Land ins Greenwich Village. Doch selbst dort gab es kaum Orte, wo sie ihre Sexualität offen ausleben konnten. Einer der wenigen war das Stonewall Inn in der Christopher Street. Die Mafia, der die finstere Bar gehörte, hatte früh erkannt, dass mit den Schwulen gutes Geld zu verdienen war. Sie schmierte die Polizei und schuf der Szene so ein prekäres Asyl.

Als die Polizei am 28. Juni 1969 dennoch wieder eine Razzia veranstaltete, kochte die Wut der Gäste über. Frustriert von den ewigen Repressalien und ermutigt von der Bürgerrechtsbewegung lieferten sie der Polizei stundenlange Straßenschlachten. Bei diesem kollektiven Coming-Out wurden sich New Yorks Schwule der Macht bewusst, die sie als Community besaßen. "Die Jungs waren so wunderschön", sagte Allen Ginsberg, der Beat-Dichter aus dem Village, nach den Krawallen. "Sie hatten nicht mehr dieses verletztes Aussehen, das alle Schwulen noch vor zehn Jahren hatten."

Auch Ray Durand und Dale Shields, zwei Mittsechziger, standen am Freitagabend in der Christopher Street: "Wir waren hier in der Nacht, als es passierte. Seitdem haben wir dafür gekämpft, dieselben Rechte zu haben wie andere Bürger. Wir leben seit 42 Jahren zusammen. Jetzt werden wir in New York heiraten."

Dass es nun gelungen ist, den Widerstand der Abgeordneten aus den konservativen ländlichen Gegenden des Bundesstaats niederzuringen, ist zum großen Teil dem strategischem Geschick des Gouverneurs zuzuschreiben. Andrew Cuomo drängte die New Yorker Schwulenverbände, ihre internen Kleinkriege zu überwinden. Er lud republikanische Geldgeber zu Hinterzimmergesprächen, bearbeitete zweifelnde Abgeordnete in endlosen Telefonaten.

Ausschlaggebend war am Ende jedoch die offensichtliche Ungerechtigkeit, die viele auch in der eigenen Familie erfuhren: "Ich kann einer Person, einem Menschen, einem Steuerzahler, einem Arbeiter nicht die Rechte verweigern, die ich mit meiner Frau genieße", sagte Mark Grisanti, der sich als Republikaner noch im Wahlkampf gegen das Gesetz ausgesprochen hatte.

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SZ vom 27.06.2011/aho
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