Neue Wege in der Betreuung:Eine Frage der Qualität

Ulf Lindberg, Leiter Wirtschaftspolitik des Dienstleistungsverbandes Almega, schaltet sich ein. In Schweden seien 40 Prozent der Kindergärten in kommunaler Hand, 40 Prozent in gemeinnütziger Trägerschaft (in Deutschland vergleichbar mit AWO, Caritas, Rotes Kreuz) und 20 Prozent privat. "Ohne die Privaten könnten wir das Angebot nicht halten." Und damit ist er beim Kernpunkt dieser Reise. Die OECD hat ausgerechnet, dass der Kinderbetreuungsmarkt in den 27 Staaten der Europäischen Union derzeit 137 Milliarden Euro pro Jahr umsetzt, wobei 80 Prozent davon allein auf die fünf größten Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien fallen.

Das Potenzial aber, das im Markt der Kinderbetreuungsangebote steckt, berechnet die OECD auf 280 Milliarden Euro. "Das sind enorme Wachstumsmöglichkeiten", sagt Lindberg und bietet die Erfahrungen der Schweden bei der deutschen Betreuungsoffensive an. Für Deutschland rechnet er bei einem bedarfsgerechten Ausbau mit einem Potenzial von insgesamt 31 Milliarden Euro. Momentan liegt der Umsatz bei der Hälfte.

"Aber wie kontrollieren Sie die Qualität?", fragen die deutschen Gäste. Sie besichtigen gerade das Außengelände des Kindergartens, ein Platz ohne viel Bepflanzung und mit einem Spielgerät in der Mitte. Die Städtetag-Vertreterin aus Baden-Württemberg ist entsetzt. Umso mehr, als ihr erklärt wird, warum so viele Kinderwagen mit Daunensäcken auf der Veranda stehen: "Hier machen die Kinder ihren Mittagsschlaf", erklärt die Kindergartenleiterin, "das härtet ab."

Der Leiter des Referats für Kinderbetreuung in Hamburg fragt: "Auf wie viele Quadratmeter Fläche kommen Sie dann pro Kind?" Die Erzieherin ist irritiert. Der sächsische Landtagsabgeordnete kommentiert: "Ohne Schlafplätze bekämen Sie bei uns gar keine Betriebserlaubnis."

Die Nachfrage bestimmt das Angebot

Pragmatismus ist eine typisch schwedische Eigenschaft. Auch Linda Norberg spricht über Pragmatismus. Sie ist Kommunalpolitikerin in der Stadt Nacka vor den Toren Stockholms, das mehrere Preise für sein gutes Kinderbetreuungsangebot gewonnen hat. 60 Prozent des Kommunalhaushalts fließen in Bildung und Betreuung von Kindern. Viele junge Familien ziehen deshalb hierher. Nacka rechnet bald mit einer sechsstelligen Einwohnerzahl. Momentan sind es 93.000. Norstedt wundert sich, dass die Gäste so viel über Kontrollen wissen wollen. "Bei uns bestimmt die Nachfrage das Angebot. Wenn Eltern nicht zufrieden sind, wechseln sie den Kindergarten." Zweimal im Jahr gebe es Elternbefragungen. "Wir veranstalten alle paar Monate Erziehertreffen, dort entstehen viele Verbesserungen und neue Ideen."

Zum Beispiel der Kindergarten auf Rädern - ein umgebauter Bus mit Schlafmatratzen -, der Stadtkinder in den Wald fährt, an den Strand oder ins Museum. "Und Sie haben keine Probleme mit Parklizenzen? Aufenthaltsdauer und Anwohnerbeschwerden?", fragt ein Deutscher. Norstedt versteht nicht recht: "Die Leute freuen sich doch, wenn die Kinder kommen." Sie hat in den letzten beiden Jahren 2000 neue Kindergartenplätze geschaffen.

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