Dr. Bernd Reuschenbach, 40, arbeitet am psychologischen Institut der Universität Heidelberg. sueddeutsche.de sprach mit ihm über Neid in der Freundschaft - und wie man verhindert, dass er sie zerstört.
sueddeutsche.de: Kennen Sie dieses hässliche Gefühl im Bauch, wenn ein Bekannter gerade etwas ganz Tolles erreicht hat - man sich aber nicht so recht mit ihm freuen kann?
Bernd Reuschenbach: Sie meinen Neid? Das Gefühl, etwas haben zu wollen, das ein anderer hat? Klar, das kenne ich - genau wie jeder andere auch.
sueddeutsche.de: Warum empfinden wir so?
Reuschenbach: Zunächst einmal: Der Mensch ist grundsätzlich kompetitiv, der Wettbewerb gehört einfach dazu. Schauen Sie sich doch nur mal die Werbung an: "3 ... 2 ... 1 ... meins!" ist doch das beste Beispiel für den Wettbewerbsgedanken. Eine ganze Firmenidee basiert darauf, Dinge schneller zu bekommen als andere.
sueddeutsche.de: Oft sind es gerade die besten Freunde, auf die man neidisch ist.
Reuschenbach: Mit denen kann man sich ja auch am besten vergleichen. Schließlich basieren viele Freundschaften auf gemeinsamen Interessen und Vorlieben.
sueddeutsche.de: Also ist man besonders neidisch auf Menschen, die einem ähnlich sind?
Reuschenbach: Man muss es so sehen: Gemeinsamkeiten bilden oft die Grundlage für Freundschaften. Andererseits entsteht Neid häufig auch erst dadurch. Und genau da liegt die Schwierigkeit: gleiche Interessen haben und nicht im Konkurrenzkampf stehen. In einer guten Freundschaft schafft man es, diesen Widerspruch aufzulösen.
sueddeutsche.de: Und wie stellt man das am besten an?
Reuschenbach: Man kann eine Freundschaft als eine Art Gummiband betrachten, das zwischen den beiden Personen gespannt ist. Je nachdem, wie stark ein plötzlich hinzutretender dritter Faktor, also die Neidkomponente, daran zerrt, kann eine Freundschaft zerreißen. Nur wenn man versucht, den Neid außen vor zu lassen, werden die Spannungen gelöst.
sueddeutsche.de: Sagten Sie nicht, Neid unter Freunden sei etwas Normales?
Reuschenbach: Sicher! Aber deswegen nicht minder problematisch. Damit er die Freundschaft nicht zerstört, ist es wichtig, nicht ständig über besonders heikle Themen zu sprechen: Man entwickelt ja ein Gefühl dafür, was die andere Person neidisch macht. Und wenn man ihr das ständig unter die Nase hält, könnte es tatsächlich das Ende der Freundschaft sein.
sueddeutsche.de: Das heißt im umgekehrten Fall: Wenn ich neidisch auf meine beste Freundin bin, behalte ich es lieber für mich? Das kann es doch auch nicht sein.
Reuschenbach: Da sollte man erst einmal grundsätzlich über die Qualität der Beziehung nachdenken. Warum bin ich neidisch? Bei dieser Selbstreflexion wird man schnell merken, dass man sich selbst in einer Wettbewerbssituation sieht. Und darüber sollte man dann mit der Freundin sprechen und sie um Verständnis bitten. Nach dem Motto: "Ich gönn dir das. Aber lass uns nicht zu oft darüber reden."
sueddeutsche.de: Aber bringe ich damit meine Freundin nicht in eine unangenehme Situation?
Reuschenbach: Angenehm ist das sicher nicht. Aber man muss ja auch bedenken, dass sie sich in diesem Fall in der Winner-Position befindet: Sie ist diejenige, die um etwas beneidet wird. Und falls es sich um eine gute Freundin handelt, wird sie das aushalten - und der Bitte nachkommen. Wenn sie das nicht tut, und die Freundschaft daran zerbricht, bekommt man nicht selten die Ad-hoc-Rechtfertigung zu hören, mit der sie sich nur selbst erhöht: 'Die war ja nur neidisch.'
sueddeutsche.de: Auf was wären Sie neidisch?
Reuschenbach: Hmm ... (überlegt lange) Schwer zu sagen. Wenn ich einen Freeclimber sehe, habe ich Hochachtung vor der Leistung, bin aber niemals neidisch darauf, weil das so weit weg ist für mich - das würde ich niemals erreichen.
sueddeutsche.de: Ihnen fällt wirklich nichts ein?
Reuschenbach: Nein, da fällt mir tatsächlich nichts ein - zumindest nichts, was ich offen sagen möchte. Wobei: Wie alt sind Sie?
sueddeutsche.de: Wie alt ich bin? 24.
Reuschenbach: Sehen Sie: Jetzt haben Sie mich doch erwischt.