"Jeder Mensch hat ein Recht auf schlechte Laune", sagte der belgische Schriftsteller Georges Simenon. "Man sollte das in die Verfassung aufnehmen." Im Drogeriemarkt hat leider noch niemand Bescheid gegeben. Dort fordern Tees, Gesichtsmasken und Socken: "Be happy!" Das Duschgel "Gute Laune" (mit Maracuja und Grapefruit) "zaubert dir ein Lächeln ins Gesicht!", die Sorte "Lebensfreude" (Zitrone) "hebt die Stimmung nachweislich". Und während man den Gute-Laune-Imperativ in der Körperpflege noch als harmlose Marketing-Masche abtun kann, wird es jetzt ernst: Der Spaß-Overkill hat das Arzneimittelregal erfasst.
Zwischen Bachblütentropfen und CBD-Spray findet man seit einer Weile "Gute Laune" in Tablettenform. Morgens zwei Kapseln sollen helfen, "eine positive Stimmung zu erhalten" und "zum emotionalen Gleichgewicht" beitragen. Der Inhalt: die Aminosäuren Tryptophan (gegen Schlafstörungen) und Tyrosin (für bessere Aufmerksamkeit und Konzentration), außerdem Vitamin B6, Safran und Rosenwurz. "Du merkst schon am Morgen, dass der Tag heute nicht deiner ist?", steht auf einer anderen Packung. Zwei "Happy"-Kapseln oder eine "Stimmungszauber"-Tablette, und die Sache ist erledigt. Es ist, als wäre schlechte Laune wie ein Pickel auf der Stirn oder ein Deodorant, das versagt hat: Für manche Probleme gibt es Concealer oder extrastarkes Antitranspirant; das Stimmungstief deckt man mit Gute-Laune-Kapseln ab.
Erst langsam werden psychische Erkrankungen wie Depressionen nicht mehr tabuisiert; weder öffentlich noch privat würde heute noch jemand einem oder einer Betroffenen raten: "Lächle doch mal." Im Handel ist das Diktat der guten Laune stabil. Jeder Hauch einer Verstimmung wird fortgecremt, übersprüht oder weggelächelt, denn der Mensch von heute hat wahnsinnige Angst vor schlechter Laune. Was für ein Jammer! Psychologinnen und Psychologen warnen sogar vor gespielter Freundlichkeit und guter Stimmung - Stichwort toxische Positivität - und ihren Nebenwirkungen: emotionale Erschöpfung, Burn-out, Depression, Herz-Kreislauf-Probleme. Wer beruflich freundlich zu Kundinnen und Gästen sein muss, soll sich in der Pause vom Lächel-Zwang erholen, weil es anstrengend ist, sich dauerhaft zu verstellen.
Negative Gefühle wegzulächeln ist nicht nachhaltig; sie anzunehmen soll sich positiv auf die Gesundheit auswirken und sogar aufs Geschäft. "Ein zufriedener Mensch denkt nicht, sondern liegt in der Hängematte und genießt sein Glück", schreibt Andrea Gerk in ihrem Buch "Lob der schlechten Laune". Wer schlecht gelaunt ist, ist kritischer, aber auch produktiver, und kann sich besser an neue Situationen anpassen. Wenn es in der Steinzeit schon Kapseln gegen schlechte Laune gegeben hätte, die Evolution wäre wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Man muss schlechte Laune ja nicht gleich verklären als "Bad-Mood-Positivity". Neutrality wäre völlig ausreichend. Nur hat die sich noch nie gut verkauft.