Süddeutsche Zeitung

Natur:Waldgeflüster

Starr und langweilig? Von wegen: Bäume plaudern gern, fangen Schadstoffe aus der Luft und treiben Tauschhandel mit Pilzen.

Von Nina Himmer

Baumfunk

Bäume haben zwar kein Gehirn, können aber über ihre Blätter und Wurzelspitzen Informationen aus der Umwelt aufnehmen und verarbeiten. Tatsächlich tauschen sich Wurzeln und Krone ständig aus. Von unten nach oben funkt es etwa: "Hey, hier gibt es gerade nur wenig Wasser. Schließt da oben mal die Blätter, damit wir nicht verdursten." Oder umgekehrt: "Achtung, Raupen knabbern an uns. Lasst mal schnell Giftstoffe bilden, um ihnen den Appetit zu verderben!"

CO2-Schlucker

Bäume nehmen schädliche Treibhausgase auf: Eine Buche allein schafft pro Jahr etwa 12,5 Kilogramm CO₂. Könnte man den Klimawandel also einfach wegpflanzen? Forscherinnen und Forscher aus der Schweiz haben ausgerechnet, dass auf der Erde rund 900 Millionen Hektar für zusätzlichen Wald zur Verfügung stünden und man damit 205 Gigatonnen CO₂ loswerden könnte. In diese Fläche passt Deutschland 25 Mal rein. Das Problem: In vielen Regionen ist es bereits zu trocken, um Bäume zu pflanzen.

Abtauchen

Baden kann man im See, im Schwimmbad, im Planschbecken. Aber im Wald? Das Wort Waldbaden gibt es tatsächlich. Es kommt aus Japan und heißt dort Shinrin Yoku. Das bedeutet, mit allen Sinnen in den Wald einzutauchen: mal tief durchatmen und sich genau umsehen, dem Blätterrascheln lauschen, mit den Fingern über Baumstämme, plüschiges Moos oder feuchte Erde streichen. In der Waldluft sind Stoffe, Phytonzide, die gute Laune machen.

Witzspaziergang

Zwei Hunde laufen durch die Wüste. Sagt der eine zum anderen: Wenn jetzt nicht bald ein Baum kommt, mache ich mir in die Hose. Ja, Wälder können fast alles. Sogar witzig sein oder lustige Fragen beantworten. Zum Beispiel: Was ist der teuerste Wald? Welcher Baum hat keine Wurzeln? Und von der achtjährigen Johanna aus Taufkirchen: Was ist die Mehrzahl von Baum? Antworten der Reihe nach: Rechtsanwalt. Purzelbaum. Wald.

Kranke Krone

Die Spitze eines Baumes, also seine Krone, ist wie ein Fieberthermometer. Man kann daran ablesen, wie es dem Baum geht. Gerade sind viele Kronen licht statt dicht. Das ist ein sehr schlechtes Zeichen: Vier von fünf Bäumen in deutschen Wäldern kränkeln. Schuld sind vor allem die Auswirkungen des Klimawandels: Trockenheit, Stürme, Waldbrände und Borkenkäfer setzen allen Bäumen stark zu.

Luftspender

Bäume produzieren jede Menge Sauerstoff. Ein einziger großer und gesunder Baum schafft pro Stunde genug Atemluft für 50 Menschen. Würden wir also ersticken, wenn alle Pflanzen von der Erde verschwinden? Ja, allerdings erst nach etwa 1000 Jahren. So lange würden die Sauerstoffreserven in der Luft für alle reichen. Allerdings würden wir wohl vorher verhungern.

Superbäume

Der höchste Baum Deutschlands heißt Waldtraut, ist eine Douglasie und ragt im Stadtwald von Freiburg rund 67 Meter in den Himmel. Der älteste Baum ist eine Linde, die mehr als 1200 Jahre auf dem Buckel hat und im hessischen Schenklengsfeld steht. Auch der dickste Baum ist eine Linde: Sie steht im Emsland, und ihr Stamm hat einen Umfang von 18 Metern.

Wood Wide Web

Bäume plaudern quer durch den Wald miteinander. Zum Beispiel über die Luft: Mit Duftstoffen warnen sie sich vor Schädlingen und locken zugleich Feinde von lästigen Käfern und Raupen an - etwa Vögel. Auch über ihre Wurzeln und mithilfe von Pilzen tauschen sich Bäume aus. Die Pilze liefern den Bäumen Nährstoffe und bekommen dafür im Gegenzug Zucker. Ihre dünnen Fäden sind mit den Wurzeln verschiedener Bäume verbunden und übermitteln Nachrichten. Fehlen einem Baum zum Beispiel Nährstoffe, helfen andere aus. Pflanzenforscher nennen dieses unterirdische Netzwerk "Wood Wide Web".

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Quelle:
SZ vom 06.03.2021
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