Ich packe meinen Korb und lege rein - ja, was bloß? Die Banane, die schon dunkelbraune Stellen hat? Die angebrochene Packung rote Linsen, die seit Ewigkeiten unbeachtet in meinem Küchenschrank liegt? Die Eingabemaske ist unerbittlich. "Anzahl?" fragt sie. "Stück? Kilogramm? Gramm? Liter?" Ich habe mich bei dem sozialen Netzwerk Foodsharing.de angemeldet - weil ich die Idee dahinter so simpel wie bestechend finde: Jeder Deutsche wirft im Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel in den Müll. Eine Menge, die sich drastisch reduzieren ließe, wenn jeder die Produkte, die in seiner Küche ein ungeliebtes Dasein fristen, an andere weitergäbe.
Jedes Mal, wenn ich einen lange vergessenen Joghurt oder eine faulige Tomate ihrer nächsten Daseinsstufe in der Mülltonne zuführe, ärgere ich mich über mich selbst, denke an meine Erziehung und an Deponien voller weggeworfener Lebensmittel. Also gleich angemeldet bei der Plattform zum Lebensmittelteilen. Initiiert hat Foodsharing.de das Team hinter dem Dokumentarfilm "Taste the Waste". Die Aktivisten aus Köln bieten auf der Partnerseite lebensmittelretter.de außerdem praktische Tipps und Hintergründe an. Schnell noch Profilbild und -informationen hochgeladen, fertig. Mein ökologisches Gewissen jubiliert.
Aber was soll ich nun in meinen virtuellen Essenskorb legen, den ich dem Rest der Welt anbiete? Diese Banane will ich keinem Fremden mehr zumuten. Und das angebrochene Glas Pesto eigentlich auch nicht. Außerdem sind täglich in München etwa zehn Essenskörbe bei Foodsharing online, verteilt über das ganze Stadtgebiet. Wer sollte wegen meiner braunen Banane durch die halbe Stadt fahren? Im Sinne der Ökologie wäre das auch nicht. Am Ende landen Dinge in meinem Korb, die ich vermutlich gar nicht so bald weggeworfen hätte: Eine Packung Mousse au Chocolat in Pulverform, ein Multivitaminsaft, ein Packung getrocknete Datteln, Back-Oblaten, die ich im Advent zu viel gekauft hatte. Eine gefühlte Ewigkeit dauert es, bis alle Eingabefelder ausgefüllt und mein Essenskorb in voller virtueller Schönheit auf der Website erscheint. Am nächsten Morgen blinkt schon die erste Anfrage in meinem Postfach. Monika, ich und der Korb verabreden uns für den Abend.
36 Kilogramm Obst- und Gemüseabfall pro Jahr
Vor allem Obst und Gemüse werfen wir Deutschen weg - 36 Kilogramm im Jahr. Auf Platz zwei folgen Back- und Teigwaren mit 16,2 Kilogramm, dahinter knapp zehn Kilogramm Speisereste. Das hat eine Studie der Universität Stuttgart im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums ergeben. Sind die Essenskörbe, die andere bei Foodsharing anbieten, also voller Tomaten, Salat und Mandarinen? Obst und Gemüse sind schließlich leicht verderblich und am schwierigsten zu lagern. Weil zum Beispiel Äpfel oder Aprikosen viel vom Reifegas Ethylen absondern, lassen sie andere Früchte in ihrer Umgebung schnell altern. Wer nicht aufpasst, dem verdirbt schnell der ganze Obstteller.
Sind die anderen Food-Sharer beim Lagern von Früchten geschickter als ich? Die ersten Besuche auf der Seite enttäuschen jedenfalls: etliche Essenskörbe, die nur einen oder zwei Artikel enthalten. "1 Packung Soßenbinder hell" zum Beispiel oder "Gewalzte Bio-Farfalle aus Dinkelvollkornmehl", "1 Stück Tee lose, Muntermacher, 1 Stück Tee, Beutel, aus Serbien (?)". Da, das klingt doch lecker: "Eingelegter Tintenfisch/Calamares, 5 Stück Konserven". Direkt mal eine Anfrage stellen. Doch der Anbieter will den Tintenfisch nur an soziale Einrichtungen spenden, nicht an Privatpersonen wie mich.