Mountainbiken versus Wandern:Lächelnd im Sattel

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Bei Wanderern sind Mountainbiker oft verhasst. Deshalb erklärt ein begeisterter Radler, warum sich die Sportler am Berg eigentlich wunderbar ergänzen.

Michael Ruhland

Manche Erlebnisse in den Bergen bohren sich so tief ins Gedächtnis wie Haken in eine Felswand. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Erinnerung eine schönere wäre, wenn es tatsächlich um Karabiner, Knoten und Kletterrouten gegangen wäre. Aber mit Spannung war da nichts.

Durch die Natur heizen macht einfach Spaß. (Foto: Foto: ddp)

Wer wie ich in einer wanderbegeisterten Familie aufgewachsen ist, die großen Ferien immer brav bei der Tante im Chiemgau verbracht hat, befolgt seither mit ziemlicher Sicherheit die gleiche goldene Regel: Nie wieder auf den Hochgern, den Hochfelln und all die anderen Hochstapler-Hügel.

Ich habe sie hassen gelernt, diese öden Forstwege, deren Serpentinen nie enden wollten, diese schwüle Hitze beim Hinaufkriechen, die einem die Luft nahm. Am schlimmsten aber war der Strom von Wandersleuten mit ihren Kniebundhosen, den rotkarierten Hemden, den Sepplhüten und der ostentativen Fröhlichkeit darunter. Wie konnte man in dieser Tristesse aus staubiger Kiesautobahn und halbtoten Fichtenmonokulturen auch noch pfeifen und trällern?

Mein Dilemma: Ich war zu früh dran. Damals in den Siebzigern, als die Eltern einem ihr Wanderprogramm aufdrückten, gab es nämlich noch keine Bergradl, jedenfalls habe ich nie eins gesehen. Es ist ja beileibe nicht alles großartig, was aus den USA zu uns herüberschwappt. Dafür aber ein Dankeschön. Wenn ich heute auf Forstwegen im Chiemgau, Oberland oder Allgäu mit dem Mountainbike unterwegs bin, dann meist mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen: Es geht voran. Die frisch-feuchte Morgenluft spornt die Waden an, die Alm droben lockt, von der es zu Fuß auf schönen Steigen zum Gipfel geht.

Eigentlich perfekt, hätten sich nicht Abertausende der Evolution verweigert. Warum um Himmels willen wandern Menschen mit Stöcken klappernd auf Forstfahrstraßen, die mit Bergen so wenig zu tun haben wie der Kaiserstuhl mit dem K2? Und warum gehen sie notorisch in Fünferreihen und nötigen einen zu murmeltierartigen Warnpfiffen?

Sicher, es gibt auch die übermotivierten Biker, die ihr überflüssiges Testosteron am Berg und leider auch von ihm runter abarbeiten müssen. Unsereins bleibt brav auf breiten Wegen, bremst schon hundert Meter vor Wanderern auf Null ab, grüßt freundlich und hat selbst dann noch - horribile dictu - ein schlechtes Gewissen. Wurde einem ja so eingepflanzt. Dabei ergänzen sich Biken und Bergsteigen doch wunderbar. Man muss es nur mal ausprobieren.

© SZ vom 29.5.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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