Morgen ist "Kauf-nix-Tag":Ohne jeden Cent

Einen ganzen Tag lang kein Geld auszugeben ist nicht einfach. Die Einkäufe einfach zu verschieben, zählt nämlich nicht. Ein Selbstversuch zum morgigen "Kauf-nix-Tag".

Kathrin Hollmer

Man kann sich wahrlich schlimmere Selbstversuche vorstellen. Ein Tag ohne Kaffee, eine Woche ohne Internet oder ein Monat ohne Schokolade, das wäre schlimm. Aber einen Tag lang kein Geld auszugeben, wie es Anhänger des konsumkritischen "Buy Nothing Days" vorschreiben, klingt doch recht machbar. Könnte man meinen. Zeit für Shopping ist sowieso nicht jeden Tag und Lebensmittel oder Zeitschriften lassen sich vorher oder nachher besorgen. So einfach ist das aber nicht.

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Besonders im vorweihnachtlichen Kaufrausch ist es schwierig, kein Geld auszugeben. Der "Buy Nothing Day" ruft deswegen jedes Jahr am letzten Samstag im November zum Konsumverzicht auf.

(Foto: dpa)

Die Begründer des konsumkritischen Tages haben dieses Hintertürchen schon bedacht, denn die Einkäufe einfach um 24 Stunden zu verschieben und weiter wie gewohnt zu konsumieren, würde auch gar nichts bringen. Den ersten "Kauf-nix-Tag" veranstaltete 1992 die kanadische Werbeagentur Adbusters. Die Absicht: Wenn man einen Tag lang kein Geld ausgeben darf, soll man dadurch über das eigene Konsumverhalten nachdenken und seine Gewohnheiten im besten Fall nachhaltig ändern. So weit der Plan.

Als ich morgens aus dem Haus gehe, fällt mir ein: Das Frühstück in der Cafeteria muss heute ausfallen. Also noch einmal zurück in die Wohnung und in der Küche ein Brot schmieren - oder besser zwei, die Mittagspause will schließlich auch überstanden werden. Für Kaffeekochen ist keine Zeit mehr, sollte das etwa gleich ein zweiter Selbstversuch werden?

Weil der U-Bahnticketkauf entfällt - und mir fürs Schwarzfahren die Nerven fehlen - hole ich mein Fahrrad aus dem Keller. Ende November ist es im kalten Fahrtwind recht unangenehm, und dabei kann ich mich nicht einmal mit einem Schokocroissant belohnen.

Am Schreibtisch fühle ich mich mit meinem Käsebrot nicht ganz so fein wie mit einem Müsli to go oder einem handverlesenen Obstsalat. Auch der selbstgebrühte Tee aus der Gemeinschaftsküche im Büro schmeckt nicht so gut wie der Latte macchiato aus dem Bistro.

Das Do-it-yourself-Prinzip

Komplizierter wird die Mittagspause. In der Kantine müsste ich Geld ausgeben. Lasse ich mich einladen, wäre das nicht nur unangenehm, sondern ein Kollege müsste auch noch doppelt bezahlen - das macht an einem konsumkritischen Tag wenig Sinn. Alleine am Schreibtisch mein Brot zu essen, ist mir aber auch zu blöd.

Morgen ist "Kauf-nix-Tag": Ein Tag kein Geld ausgeben ist ein guter Anlass, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen.

Ein Tag kein Geld ausgeben ist ein guter Anlass, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen.

(Foto: AP)

Ich gehe also mit den Kollegen in die Kantine, widerstehe aber der Pestolasagne mit Käse und dem Elsässer Flammkuchen mit Sauerrahm. Sogar den Schokoladenkuchen im Glas verkneife ich mir. Stattdessen packe ich mein zweites mitgebrachtes Brot aus. Emmentaler. Lecker. Wäre da nur nicht der verführerische Lasagneduft in meiner Nase. Da muss ich jetzt wohl durch.

Immerhin: Auf die Kollegengespräche muss ich nicht verzichten - die sind umsonst und darum geht es ja in der Mittagspause. Natürlich wundern sich alle über meine ungewohnte Abstinenz, finden den Selbstversuch aber ganz interessant - auch wenn sie mir noch nicht ganz trauen: "Spätestens zum Cappuccino am Nachmittag wirst du schwach."

Mit dem Do-it-yourself-Prinzip überstehe ich aber auch den Rest des Tages. Als die Kolleginnen nachmittags Kaffee holen, setze ich meine zweite Kanne Tee auf. Statt abends wie verabredet mit Freunden ins Kino zu gehen, lade ich sie zu mir ein. Die alten DVDs wollte ich sowieso schon lange sehen.

Nur: Cola, Chips und Schokolade kann ich nicht einkaufen, wie es sich für einen anständigen DVD-Abend eigentlich gehört. Also überwinde ich mich und frage, ob meine Freundinnen jeweils eine Kleinigkeit mitbringen könnten und verweise auf den Selbstversuch. Die Reaktion: "Wie hast du das nur bis jetzt durchgehalten, du kaufst doch sonst so gerne ein." Stimmt. Aber gerade deswegen unterstützen sie mein Vorhaben und bringen die Snacks für den Abend einfach mit - aus ihren Vorräten, versteht sich. Sonst müssten sie ja statt mir einkaufen, was den Kauf-nix-Plan wiederrum durcheinanderbringen würde.

Nach dem 24-stündigen Konsumverzicht ziehe ich Bilanz: 26,40 Euro hätte ich ausgegeben, wäre heute ein normaler Tag. Abgesehen von der eisigen Radfahrt und dem mageren Mittagessen wäre ich wohl auch nicht zufriedener, wenn ich heute Geld ausgegeben hätte. Mit Kino und Popcorn wäre der Abend nicht besser gewesen - trotzdem freue ich mich schon jetzt auf Latte macchiato zum Frühstück. Und ein Schokocroissant. Fürs Durchhalten.

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