"Moment mal" - Phrasen der Intoleranz:Ausgrenzen mit vier Worten

Lesezeit: 3 min

Menschen, die vielleicht ein bisschen anders aussehen, als der Durchschnitt in diesem Land, kennen diesen Satz: "Wo kommst du her?" (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Wer Mohammad, Phuong oder Dhakiya heißt, bekommt die Frage "Wo kommst du her?" dauernd zu hören. Warum sich darin Rassismus versteckt und welche Erfahrungen unsere Leser mit noch schlimmeren Sätzen gemacht haben.

Von Oliver Klasen

Der Satz hat vier einfache deutsche Wörter. Vier Wörter, die beiläufig dahingesagt werden. Vier Wörter, die scheinbar nichts bedeuten. Small Talk. Irgendwie muss man ja ins Gespräch kommen, wenn der neue Freund zum ersten Mal den Eltern vorgestellt wird, bei Kaffee und Kuchen am Sonntagnachmittag. Oder wenn die neue Mitbewohnerin einen begleitet, auf die Geburtstagfeier, wo dann alle bei Chips und Bier in der Küche rumstehen.

Dann fällt also dieser Satz, der genau genommen eine Frage ist: "Wo kommst du her?" Zu hören bekommen ihn vor allem Menschen, die Mohammed, Phuong oder Dhakiya heißen, deren Haut vielleicht ein bisschen dunkler ist, die - kurzum - etwas anders aussehen als der Durchschnitt in diesem Land. Die anders aussehen als diejenigen, die manche Bio-Deutsche nennen, weil sie von Eltern abstammen, die nur deutsche Wurzeln haben.

Man könnte einwenden: Was ist denn schlimm an der Frage "Wo kommst du her?". Das ist doch nett gemeint, das signalisiert Interesse an der Herkunft des anderen. Irgendwie muss man das Gegenüber doch einordnen können. Man will ja wissen, wen man da vor sich hat. Menschlich, charakterlich - und geografisch.

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Doch kaum ein Fragesteller versetzt sich in die Lage desjenigen, der diesen Satz hört. Wieder und wieder. Denn hinter der Frage "Wo kommst du her?" verbirgt sich die Annahme, dass ein Mensch, der Mohammad, Phuong oder Dhakiya heißt und auch so aussieht, unmöglich aus Bottrop, Buxtehude oder Berchtesgaden stammen kann.

Solche Menschen, das sind doch normalerweise Asylanten, die von Schleppern über die Grenze gebracht werden. Das sind Wirtschaftsflüchtlinge, die von unserem Wohlstand profitieren wollen. Das sind verzweifelte junge Leute, die ihr Land verlassen und zum Studieren nach Deutschland kommen, weil es in ihrem Heimatland keine Straßen und erst recht keine vernünftige Universität gibt.

Du bist hier nur Gast. Ich war vor dir da

"Wo kommst du her?", so hat es der Autor und Soziologe Mutlu Ergün analysiert, meine implizit: Du bist aus der Fremde gekommen. Du bist hier nur Gast. Ich war vor dir da und habe mehr Rechte als du. Und schließlich, so schreibt Ergün weiter, werfe die Frage "Wo kommst du her?" gleich eine zweite Frage auf: "Wann gehst du wieder zurück?"

Unabhängig davon, dass der latente Rassismus, der sich in diesem Satz zeigt, vom Fragesteller nicht gewollt ist, unabhängig von allen guten Absichten, die sich dahinter verbergen mögen, ist "Wo kommst du her" eine Phrase der Ausgrenzung. Solche Sätze gibt es zuhauf - und sie richten sich nicht nur gegen Migranten. "Ich habe ja nichts gegen Schwule, aber ...", ist ein weiteres Beispiel. Dahingeworfene Sätze, die scheinbar nichts weiter bedeuten. Die aber geeignet sind, dem Gegenüber klarzumachen, dass es außerhalb "unserer" Gemeinschaft steht.

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Ergün, der sich seit Jahren gegen Rassismus engagiert, hat im Rahmen seiner Bühnenperformance mal Tipps gegeben, wie man auf diese Sätze möglichst schlagfertig reagieren und sein Gegenüber zum Nachdenken bringen kann. Er hat das in einer Rangliste zusammengestellt. Auf Platz eins der besten Antworten auf die Frage "Wo kommst du her?": "Aus Mama".

Phrasen wie "Wo kommst du her?" waren Anlass und Ausgangspunkt zu unserem #momentmal-Aufruf. Im Rahmen der SZ-Toleranz-Recherche haben wir unsere Leser gebeten, uns Szenen oder Sätze zu schicken, die auf den ersten Blick harmlos oder gar nett erscheinen. Aus denen aber bei näherem Hinsehen Vorurteile und Intoleranz sprechen. Eine Auswahl der eindrücklichsten Tweets, Posts und Mails finden Sie im folgenden, die komplette Sammlung in diesem Text:

Die Frage "Wo kommst du her?", die manchmal auch variiert wird als: "Wo kommst du ursprünglich her?" oder "Wo kommst du eigentlich her?" ist auch vielen SZ.de-Lesern schon begegnet. Drei Beispiele:

Eine Leserin aus Sachsen berichtet gleich von einem ganzen Arsenal solcher Fragen:

Migranten werden aber nicht nur immer wieder nach ihrer Herkunft gefragt, sondern sehen sich auch mit einer Reihe weiterer, mehr oder weniger versteckter, Vorurteile konfrontiert.

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Dass "schwul" auf Schulhöfen oder auf dem Fußballplatz noch immer als Schimpfwort benutzt wird, ist eine besonders offensichtliche und sehr verbreitete Form der Diskriminierung. Ausgrenzung zeigt sich aber nicht nur in der plumpen Gleichsetzung "schwul = schlecht", sondern auch in vielen kleinen Anspielungen, die Vorurteile über Homosexuelle reproduzieren.

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Diskriminierung kann sich auch daran äußern, sich nach außen hin verständnisvoll zu geben.

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