Süddeutsche Zeitung

Models mit Kurven:Schönheit ist dehnbar

Die engen Grenzen der Schönheit weiten sich: Tyra Banks hat in einer Show das schönste mollige Model gekürt und auch auf den Laufstegen werden die Formen runder.

Ulrike Bretz

Sie heißt Sheridan Watson, ist 17 Jahre alt und Gewinnerin einer neuen TV-Castingshow für Models in den USA - nicht obwohl, sondern weil sie Kleidergröße 44 trägt. Damit dürfte die dunkelhäutige Schönheit zum Vorbild für viele Mädchen ihres Alters werden, bei denen sich unter der Kleidung nicht die Knochen, sondern Fettpölsterchen abzeichnen.

Tyra Banks, selbst schlankes und gut bezahltes Model, hat eigens für Mädchen wie Sheridan Watson eine Castingshow veranstaltet. Teilnehmen durften ausschließlich Frauen mit einer Konfektionsgröße zwischen 40 und 48. "Die Durschnittsfrau in den USA hat Größe 44", sagte Tyra Banks über ihre Show. "Ich hatte schon immer das Gefühl, es wäre meine Mission, die engen Grenzen der Schönheit etwas auszuweiten."

Schönheit ist ein dehnbarer Griff - das scheint sich immer mehr in den Köpfen durchzusetzen. Den Anfang machte die Debatte um die Magermodels, nachdem 2006 das Model Ana Carolina Reston aus Brasilien an den Folgen von Unterernährung starb. Den Diskussionen folgten Resolutionen der Fashion Weeks und der Designverbände, in denen sich die Modemacher selbst dazu verpflichteten, die Arbeit mit zu dünnen Models abzulehnen.

Viel hat sich dabei nicht verändert. Denn auch die Vorgabe "zu dünn" ist dehnbar. Die Modewoche Madrid führte zwar noch im selben Jahr einen Mindest-BMI ein. Auch andernorts schickte der eine oder andere Designer statt Size Zero-Models Mädchen mit Größe 34 auf den Laufsteg - doch all das dürfte dem Betrachter kaum aufgefallen sein. Die meisten blieben beim alten Maß, und tun es noch immer - auch, wenn sie anderes behaupten.

Jüngstes Beispiel: Victoria Beckham ließ bei der New York Fashion Week ihre Kollektion von spindeldürren Mädchen vorführen, die dieselbe Konfektionsgröße wie die designende Fußballergattin selbst haben - nämlich 32. Und das, obwohl sie sich zuvor auf die Seite des Verbands der amerikanischen Modedesigner geschlagen hatte, der sich gegen die Arbeit mit Magermodels ausspricht. Die Begründung für den Sinneswandel: Nur weil manche Mädchen sehr dünn seien, bedeute das nicht, dass sie absichtlich so lange hungerten, bis sie nur noch Haut und Knochen seien.

Wirklich üppige Frauen wie die singende Vorzeige-Dicke Beth Ditto haben immer noch einen Exoten-Status unter den Stilikonen. Und doch: Etwas regt sich. Kräftige Oberarme, runde Bäuche, pralle Schenkel und große Oberweiten suchen sich immer drängender den Weg auf Laufstege, in Fernseh-Sendungen und in Magazine. Dass die Zeitschrift Brigitte seit Anfang des Jahres keine Models mehr, sondern "Durchschnittsfrauen" für ihre Fotostrecken bucht, ist nur ein kleiner Anfang - zumal diese Frauen aus dem tatsächlichen Durchschnitt weit herausragen.

Richtungsweisender ist die Entscheidung der Vogue-Redaktion, ein Internetmagazin eigens für kurvige Frauen zu entwickeln: die Vogue Curvy. Das Onlineportal bietet Modetipps für XXL-Frauen, Interviews mit XXL-Frauen und Porträts über XXL-Frauen. Doch auch dort wird ein Frauentypus proklamiert, der mit der Durchschnittsfrau genauso wenig zu tun hat wie ein Magermodell: Bildhübsche Frauen, bei denen jedes Pfund so passgenau an der richtigen Stelle sitzt, dass niemand ernsthaft wagen würde, es als überflüssig zu bezeichnen.

Auch andere Magazine haben entdeckt, dass das Thema gerade en vogue ist. Das amerikanische V Magazine, das einst mit einer nackten Beth Ditto auf dem Cover für Furore sorgte, widmete eine ganze Ausgabe - die "Size Issue" - schönen Rubens-Frauen.

Ein weiterer Indikator für einen neuen Kurven-Trend könnten die Models bei den gerade zuende gegangenen Modewochen gewesen sein. Nicht alle taten es Victoria Beckham gleich. In London zeigte Desiger Mark Fast Models, deren Speckröllchen unter den engen Kleidern deutlich sichtbar waren. Und die italienische Modemacherin Elena Miro setzte in Mailand auf weibliche Rundungen - um die "mediterran geformte" Frau ins Bewusstsein der Kundin zu bringen, wie Eigentümerin Elena Miroglio verlauten ließ.

Nun also die erste Casting-Show für runde Frauen - wenn diese Welle nach Deutschland schwappt, dürfen wir vielleicht bald Heidi Klum dabei zusehen, wie sie nach Germany's next curvy Topmodel sucht. Regina Halmich sollte aufpassen - ihre Abnehmshow könnte dann bald selbst zu den "Biggest Losern" gehören.

Im Video: Designer Peter Copping präsentiert die aktuelle Herbst/Winterkollektion des Labels Nina Ricci am dritten Tag der Pariser Fashion Week.

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