Modekarriere eines Drogendealers:Der Mann mit dem Stoff

Gnadenlose Konkurrenz für Ed Hardy? Früher war Ilan Fernandez kolumbianischer Drogenhändler, heute designt er Mode für Möchtegern-Gangster.

Claudia Fromme

Sechs Wochen ist es her, da bekam Ilan Fernandez einen Gruß aus der Vergangenheit. Er saß mit Freunden in einer Taverne in Mailand, als die Tür aufging. Ein Mann trat ein und feuerte von der Schwelle aus in seine Richtung. So plötzlich, wie er gekommen war, verschwand er wieder. "Kein Profi", sagt Ilan Fernandez nur. Vier Projektile landeten in der Wand neben ihm.

De Puta Madre Ilan Fernandez

Ilan Fernandez' Modelabel "De Puta Madre" heißt übersetzt "Von der Hurenmutter"

(Foto: Foto: oh)

So ist es also, das neue Leben des Ilan Fernandez, 43. Ein Leben, das mit seinem alten nichts mehr zu tun haben soll.

Darin war er kolumbianischer Drogenhändler, besaß Yachten und Ferraris, lebte in Miami und Barcelona. Alles schien möglich, bis Interpol ihn 1989 verhaftete, 24 Jahre Haft bekam er, seine Anwälte brachten ihn nach neun Jahren heraus. Im Knast entschied sich Fernandez, der Welt statt Drogen Weisheit zu liefern. Also schrieb er mit Filzer "Narcotrafico" und "Be my whore" auf T-Shirts und schenkte sie Mithäftlingen.

Die waren so erfreut, dass er beschloss, in Freiheit die ganze Welt damit zu beglücken. In Rom gründete er eine Firma für Streetwear, heute verkauft er jährlich eine Million T-Shirts; dazu Kleider, Hosen, Kappen. Die Chinesen kopieren in Serie. "Ich hasse das, aber es ist ein Kompliment", ruft Fernandez. Er muss es dreimal wiederholen, bis man ihn versteht. Er telefoniert von seinem Ferrari aus, mit dem er durch Rom braust.

Man kann sagen, er ist erfolgreich mit dem, was er tut. Man kann nicht sagen, dass das mit damals nichts zu tun hat.

Provokation verkauft besser

Sein Label ist De Puta Madre 69, was "von der Hurenmutter" heißt, aber "großartig" meint. Den Straßenstil zu tragen ist wie mit Kumpels in die Herbertstraße in Hamburg zum Glotzen gehen, wo Huren auf Freier warten. Kiezluft ohne Anfassen. So tragen bevorzugt Jugendliche seine Mode, viel in Italien und Spanien.

Fernandez will T-Shirts mit dem Konterfei des kolumbianischen Paten Pablo Escobar und anderer Unterweltästhetik als Ironie verstanden wissen, ja sogar als Warnung. "Nehmt keine Drogen, begeht keine Straftaten", sei seine Botschaft. Das hat er auch den Banken erzählt, die Begeisterung war begrenzt. "Für die bist du immer der Dealer, der im Knast saß", sagt Fernandez. Das Auto macht: Wrrrommm.

Er muss ja nicht die Ludennummer machen. "Provokation verkauft besser", sagt Fernandez dazu. Die Sprüche sollen aber kleiner werden, eine schlichte Damenkollektion sei in Arbeit, eine Edellinie.

Fernandez will über seine zwei Töchter reden, denen er eine gute Ausbildung finanzieren möchte, über die Frau, die er nach dem Knast kennengelernt hat. Er will nicht reden über: früher. "Lange her", sagt er. Und die Schüsse in Mailand? "Nicht alle vergessen", sagt er. Aber er habe ja Leibwächter mit Waffen. Er sagt das, als redete er von Handys.

Feinde wurden auf Marktplätzen mit der Machete liquidiert

Die Drogen sind passé, sagt er, die Waffen, die er verschoben hat, die Morde. Morde? Fernandez gibt Gas. "Vielleicht war das so", sagt er. Oder ganz anders? "Belassen wir es dabei." Fernandez deutet nur an, führt nie aus, er will auch nicht groß über ein Buch reden, das in diesen Tagen erschienen ist.

Das heißt "Suerte", Schicksal, und darin beschreibt Giulio Laurenti, ein Autor von Kurzgeschichten, sein Leben. Ist alles wahr? Dass Fernandez 80 Prozent des Kokainhandels in Europa kontrolliert hat? Dass er seinen ersten Mord mit 13 begangen hat, an einem Mann, der seine Mutter belästigt hat und dass er später Menschen töten ließ? Fernandez sagt: "Möglich". Laurenti sagt: "Möglich".

In den Drogenkriegen Ende der achtziger Jahre galt ein Leben in Kolumbien nicht viel, Feinde wurden auf Marktplätzen mit Macheten liquidiert. Wenn der Riemann-Verlag für das Buch mit dem "sympathischen bad guy" wirbt, der sich vom "Superkriminellen zum erfolgreichen Entrepreneur" gewandelt hat, lässt einen das erschaudern.

Reue klingt anders

Man kann davon ausgehen, dass Fernandez die meisten Straftaten nicht gesühnt hat, auch ist er wohl in keinem Zeugenschutzprogramm. "Ich bin kein Verräter", sagt er. Aber der Ausstieg sei leichter, wenn man Kopf einer Gang war. Laurenti beschreibt die Biographie so: "Das Fleisch ist echt, die Haut eine andere." Zehn Prozent sei Fiktion, um Fernandez, der früher anders hieß und in keinem Archiv auftaucht, vor der Justiz zu schützen. Neben Interviews mit ihm habe er Fahnder getroffen und Quellen in Kolumbien genutzt. "Suerte" zeugt von Detailwissen, das so wohl nur von einem kommen kann, der ein Kartell von innen kennt.

Fernandez kokettiert mit der Prasserei im alten Leben, auch im neuen spielt Geld die große Rolle. Die erste Anschaffung mit "ehrlichem Geld" war der Ferrari, und man hat das Gefühl, dass er extra für das Gespräch ins Auto gestiegen ist. "Nur mit Geld bist Du ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft", sagt er. Sein Vater wurde erschossen, als er Kind war, die Mutter wohnte allein mit den Söhnen im Armenviertel im kolumbianischen Cali. Früher habe er Politiker geschmiert, Banker, Diplomaten. Das Geld vergrub er unter dem Haus in Cali, irgendwann lagen 50 Millionen Dollar da, behauptet Fernandez.

Er war in den USA in Haft, und eigentlich wollte er das Land nie wieder betreten. Dann lud ihn vor einer Weile Steven Spielberg ein, nach Hollywood, um sich seine Geschichte anzuhören. Am Ende ist nichts daraus geworden. Fernandez sagt, dass das besser so ist. Für die Tränengeschichte des Bekehrten tauge er nicht. "Ich war ein Krimineller, aber in wieweit ich dabei Unrecht begangen habe, lasse ich dahingestellt." Reue klingt anders.

Im neuen Leben war er nie wieder in Kolumbien, "zu gefährlich", sagt er. Freunden hätten aber T-Shirts von De Puta Madre dort gesehen. Es waren Plagiate.

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