Ladies & Gentlemen:Die Stilikonen 2022

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(Foto: Getty)

Menschen, die schon eine große Botschaft überbringen, auch wenn sie noch gar nichts sagen: Michelle Obama und Wolodimir Selenskij sind unsere Stilhelden des Jahres.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Die Befreite: Michelle Obama

Michelle Obama und Mode, ein Fall für die Geschichtsbücher - dachten wir zu der Zeit, als sie First Lady war. Ja, wir dachten wirklich, das sei sie, wenn sie in Kleidern von Alaïa und Ballerinas irgendwo langlief, in Gucci Witze in Talkshows machte, oder im eleganten Kleid von Jason Wu mit ihrem Mann tanzte. Ihre Haare waren perfekt geglättet. Wir dachten es auch dann noch, als sie vor zwei Jahren auf ihre erste stadionfüllende Buch-Tournee ging und Aberwitziges von Balenciaga trug, also Metallic-Overknees. War ihr egal, ob der Look zu ihrem Körper passte, die Frau wollte endlich modisch das machen, was sie wollte! Aber jetzt, zum Ende dieses Jahres, das wahrlich keine großen modischen Höhepunkte hatte, wird klar: Wir hatten keinen Schimmer, wer da all die Jahre vor uns stand. Ihre Haare sind nicht mehr glatt, sondern naturkraus oder geflochten, gerne als Dutt auf dem Kopf versammelt, und ihre Nägel sind jetzt sehr lang. Zu White-House-Zeiten, sagte sie einmal, sei Amerika einfach noch nicht bereit für schwarzes Haar gewesen. Aber das ist noch nicht alles. Ihre Stylistin Meredith Koop steckt Obama für ihre zweite Buch-Tour in Bustiers über T-Shirts, Schlaghosen, asymmetrische Tops und eine bunte Sportjacke von Fila. Oder, wie hier, in einen Fake-Leder-Anzug von Palmer/Harding. Das alles ist so unglaublich unladylike, dass sie 20 Jahre jünger wirkt. Oder sind es doch nur die Haare? Egal - die Geschichte der Michelle Obama ist eine inspirierende Geschichte der Befreiung. Denn Mode war noch nie für etwas anderes da, als sich selbst zu finden.

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(Foto: AFP)

Der Außenverteidiger: Wolodimir Selenskij

Über Nacht wurde aus dem Schauspieler-Politiker Selenskij eine Figur wie aus einem Fantasy-Epos: Kämpfer gegen die dunklen Mächte. Er verkörpert diese Rolle mit viel Gespür für die richtigen Worte und Gesten und hat verstanden, dass beim Trommeln um weltweite Aufmerksamkeit alles erlaubt ist - sogar ein Vogue-Shooting mit seiner Frau oder Witze erzählen, wenn allen zum Heulen ist. Auch sein Outfit machte er sehr bald zum Markenzeichen: Die armeegrünen T- und Sweatshirts sollen nicht übermäßig martialisch wirken, aber auf den ersten Blick verdeutlichen, dass hier ein Staatsoberhaupt aus einer Situation spricht, in der es nicht mehr um Krawattenknoten und Eitelkeiten gehen kann. Sein Besuch in Washington kurz vor Weihnachten zeigte die ganze Kraft der Front-Garderobe - da kam ein Mann der Tat aus dem Flugzeug, der dem US-Kongress authentisch etwas von Luftschutzsirenen vermitteln konnte. Man ahnt: Im faden Anzug wären der Präsident und die Sache seines Volkes wahrscheinlich leichter zu übersehen gewesen. Ein Vorbild für so ein Kriegsoutfit ist der "Siren Suit", den Winston Churchill einst populär gemacht hat. Ein schlichter Overall, eigentlich nur gedacht als praktische Überbekleidung für den Luftschutzkeller. Churchill erkannte die Krisenenergie des sackartigen Einteilers und trug ihn auch bei wichtigen Treffen, etwa mit General Eisenhower oder Präsident Roosevelt. Für Selenskij hätte Churchill nicht nur deswegen sicher etwas übrig gehabt. Denn was der ukrainische Präsident in den letzten Monaten gezeigt hat, nennt man im Britischen "rise to the occasion" - eine klassische Tugend echter Gentlemen.

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