Ladies & Gentlemen:Kunst am Blau

Gerade wurde Magenta zur Trendfarbe für 2023 ausgerufen. Ein bedauerlicher Irrtum, denn wenn es nach den Laufstegen geht, ist im kommenden Sommer Avatar-Blau angesagt. Das ist auch heftig, aber anders.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Eher Elektrisch

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(Foto: Getty Images)

Immer wieder eine unwichtige Überraschung ist ja die jährliche Verkündung der sogenannten Farbe des Jahres vom Farbton-Guru Pantone. Für das auslaufende Schreckensjahr hieß sie Very Peri, ein Lavendelton, den zumindest modetechnisch kein Mensch umgesetzt hat, und fürs nächste Jahr ist der Pantone-Farbstar: Viva Magenta. Magenta, dieser sterbende Pinkton, erinnert uns Deutsche aber ja eher an Telekom-Werbung, außerdem ist Barbiecore, der Trend rund um schreiendes Pink, ja auch schon durch. Wir erlauben uns an dieser Stelle also eine Gegendarstellung, die auf sehr wackligen Beinen steht, weil sie auf nichts anderem basiert als auf dem Anschauen von Laufsteglooks, die bekanntlich mit der Realität auch nix zu tun haben. Aber, bitte: Unsere Farbe des Jahres ist Avatar-Blau, früher von Fashionistas stets begeistert Electric Blue genannt. Es wurde in den letzten Jahren höchstens von schlecht gestylten Fernsehmoderatorinnen getragen, erfährt aber gerade sehr viel Liebe von den besten Designern der Welt: Hosenanzüge, Kleider und Röcke in diesem krassen Blau sahen wir überall, wie hier bei Alexander McQueen. Das ist eine gute Nachricht. Sie zwingt uns nämlich endlich raus aus dem pastelligen Instagram-Farbspektrum des sogenannten guten Geschmacks. Bei Loewe wird Avatar-Blau mit Rot gemixt, bei Ferretti mit Orange, bei Gucci mit Gremlin-Print und bei Off-White mit Schwarz. Das Ergebnis ist, dass die Frau plötzlich aussieht wie eine Spielzeugfigur. Hat aber immer noch mehr Viva-Vibes als Telekom-Looks.

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(Foto: Getty Images)

Für ihn: Blau wie noch nie

Beim Besuch in Marrakesch gehört für die meisten Geschmacksinhaber ein Schlendervormittag im Jardin Majorelle fest dazu. Einst angelegt vom Maler Jacques Majorelle, wurde die Stadt-Oase schließlich seit den 1980er-Jahren von Yves Saint Laurent gepflegt und mit schwelgerischer Bedeutung aufgeladen. Im dortigen Souvenirshop kann man sich auch eine Farbdose mit jenem typischen Majorelle-Blau kaufen, das einem überall im Garten als Stilmittel entgegenleuchtet. Machen natürlich alle, um dann daheim und fern des Wüstenlichts festzustellen, dass leuchtendes Kobaltblau doch, äh, eine ziemlich heftige Farbe ist. Was in Marrakesch noch so toll und stimmig wirkte, sieht als Gartentischlasur in Fröttmaning jedenfalls leider eher nach Abschlussarbeit in der Grundschule aus, Thema: Die Sprache der Fantasie. Auch in der Garderobe ist die Farbe extrem, was wahrscheinlich genau der Grund ist, warum sie im kommenden Jahr bei vielen Zeitgeist-Marken auftaucht, so wie hier auf dem Laufsteg des Revoluzzer-Labels Mowalola. Bei dem Look zeigt sich auch wieder genau das Majorelle-Problem. Für sich betrachtet sind die Blauabstufungen toll, wunderbare Farben, die das Auge magisch anziehen und verweilen lassen. Aber der Kontext, in dem diese Blauorgie nicht zu viel wird, muss erst mal gefunden werden. Man bewegt sich ja leider nicht ständig durch einen Paradiesgarten, sondern durch die trübe Suppe namens Echtwelt. Also ja, besser als die Pantone-Trendfarbe ist das kommende Blau auf jeden Fall. Man sollte nur immer eine passende Kulisse dabeihaben.

Ladies & Gentlemen: Wie sehen die denn aus? Julia Werner und Max Scharnigg schreiben jede Woche über bemerkenswerte Outfits, seltsame Posen und Neuigkeiten von den Laufstegen der Welt.

Wie sehen die denn aus? Julia Werner und Max Scharnigg schreiben jede Woche über bemerkenswerte Outfits, seltsame Posen und Neuigkeiten von den Laufstegen der Welt.

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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