Miss Universe 2009:Aus der Kaderschmiede des Lächelns

Die "Miss Universe" kommt abermals aus Venezuela - einem Land, in dem der Schönheitswahn staatlich gefördert wird.

Peter Burghardt

Im Moment der Thronfolge fiel die glitzernde Krone auf den Boden von Nassau, aber das lag nur an der freudigen Erregung zweier Landsfrauen. Dayana Mendoza hob die silberne Tiara nach tänzelnder Umarmung mit ihrer Nachfolgerin schnell wieder auf und setzte sie Stefania Fernandez aufs Haupt. Die tritt nun ihr Erbe an als Miss Universe, womit der Titel in dieser südamerikanischen Hochburg perfekter Äußerlichkeit bleibt.

Stefania Fernandez, Dayan Mendoza, Venezuela, Miss Universe, dpa

Dayana Mendoza setzt ihrer Nachfolgerin die Krone auf: Die 18-jährige Venezolanerin Stefania Fernandez ist die Miss Universe 2009.

(Foto: Foto: dpa)

Beide Damen sind Venezolanerinnen - erstmals seit der Gründung der Veranstaltung vor 57 Jahren kommt die schönste Frau der Welt zweimal hintereinander aus einer Nation. Die brünette Stefania Fernandez, 18, gewann das Finale auf den Bahamas vor Ada Aimee de la Cruz aus der Dominikanischen Republik. In Bademoden und Abendkleid zeigte sie Financier Donald Trump und einem Millionenpublikum, was ihre Heimat besonders gut kann.

Sechsmal hat Venezuela den Wettbewerb jetzt beherrscht, nur einmal weniger als die USA. Es ist ein Phänomen, das sich bislang auch unter dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez fortsetzt. Der frühere Offizier kam 1999 an die Macht, nachdem er bei den Wahlen 1998 eine weitere Vertreterin dieser Tradition bezwungen hatte: Irene Saez, 1981 Miss Universe und später Bürgermeisterin des schicken Stadtteils Chacao von Caracas, bekam damals 2,8 Prozent der Stimmen. Seither krempelt Chávez die ölreiche Republik um und will ihr einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" verpassen. Der Freund von olivgrünen Uniformen und roten Hemden ließ einen oppositionellen Hersteller von Telenovelas vom Äther nehmen, doch überregional triumphieren vor allem hübsche Frauen mit aufwändig geformten Körpern. Dahinter stecken außer großzügiger Natur besonders landesweiter Schönheitswahn und ausgefeiltes System. Sowie ein Mann namens Osmel Sousa.

Der ist Chef des Unternehmens Miss Venezuela, aus dem die Grazien dieses Staates zwischen Karibik, Anden und Amazonas hervorgehen. Die Kandidatinnen des kubanischstämmigen Sousa waren mehrfach Miss Universum, Miss World, Miss International, Miss Earth oder was es sonst noch so abzugrasen gibt auf den Laufstegen des Planeten. Talentsucher entdecken die Bewerberinnen, manche melden sich selber, alle kämpfen sich durch Provinzausscheidungen und Kaderschmieden. Die jeweilige Jahresbeste setzt sich bei Miss Venezuela durch. "Es gibt keine Wunder", sagt Entdecker Sousa, 62. "Es gibt Arbeit, Disziplin und Konstanz. Wenn jemand sagt, dass der Erfolg 99 Prozent Schweiß und ein Prozent Talent sind, dann bin ich damit einverstanden."

Natürlich muss bei der Doktrin 90-60-90 gelegentlich außer im Fitnessstudio und bei Visagisten auch im OP nachgeholfen werden. Chirurgische Bildhauer haben sich auf Details wie Nasen und Brüste spezialisiert. Ansonsten sollten die Damen möglichst feminin sein, sympathisch, ernsthaft, ehrgeizig und "sich bewusst sein, dass sie Opfer bringen müssen", erläutert Königinnenmacher Sousa. Manieren und Ausdrucksweise werden auch trainiert, wobei das nicht immer hilft. Dayana Mendoza fiel nach ihrem Sieg 2008 dadurch auf, dass sie nach einem Besuch im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba im März diesen Jahres von den Duschen, Zellen und Fähigkeiten der Militärhunde schwärmte und das Gefängnis "erholsam, ruhig und schön" fand. In ihrem Blog beschrieb sie ihren Besuch als ausgesprochen lustig. Für weniger spaßig hielt das nicht nur der Presidente Chávez, der mit der Bush-Regierung im Dauerclinch lag.

Stefania Fernandez Krupij aus Mérida traf zumindest den Ton der Juroren, zu denen unter anderem das argentinische Topmodel Valeria Mazza gehörte. "Die Frauen haben viele Hindernisse überwunden und dasselbe Niveau wie die Männer erreicht", sprach die junge Siegerin aus dem Machoreich. Sie verdankt ihre dunklen Augen, den aparten Teint und kastanienbraunen Haare zunächst einer interessanten Mischung aus spanisch-galicischen, russischen, ukrainischen und polnischen Vorfahren. Sie schaffte es von der Miss Trujillo zur Miss Venezuela inklusive Miss Elegance, Best Body und Best Face und Miss Universum. Sousas Maschinerie half erfolgreich nach.

Die heimischen Gefahren musste auch sie kennenlernen, aber das ist Vergangenheit. Vorgängerin Mendoza wurde 2007 bei einer sogenannten Express-Entführung ein paar Stunden lang verschleppt. Fernandez' Vater wurde 2005 fünf Tage lang gekidnappt, das Drama ging ebenfalls gut aus. Für die Tochter beginnt nun ein eigenes Abenteuer.

Sie bekam einen hohen Geldbetrag, einen Gutschein für fünf Tage Ferien auf den Bahamas, Kisten voller Schmuck und Klamotten, ein Stipendium für mehr als 100.000 Dollar auf einer New Yorker Filmhochschule und ein Apartment in Manhattan. "Du hast es geschafft", flüsterte ihr Dayana Mendoza bei der nicht ganz unfallfreien Übergabe ins Ohr. "Wir haben Geschichte geschrieben." Auch Hugo Chávez gratulierte. Osmel Sousa sichtet derweil das Material für 2010.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: