Wahl zur Miss Germany:Das Ende der Bikinis

Kandidatinnen zur Miss World Deutschland Wahl 2009

Inzwischen ein fast schon historisches Foto: 14 Kandidatinnen der Miss World Deutschland Wahl 2009 posieren noch leicht bekleidet für das Gruppenfoto.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Mit der "reinen Fleischbeschau" soll nun Schluss sein: Der Schönheitswettbewerb hat sich gewandelt, die "Me Too"-Debatte hat auch hier ihre Spuren hinterlassen. Doch wieso bewerben sich mehr Kandidatinnen als je zuvor?

Von Alexandra Dehe

Für ein Foto posieren Teilnehmerinnen der Wahl zur "Miss Germany" in knappen pinkfarbenen Bikinis auf dem Rand eines Schwimmbeckens. Die jungen Frauen, alle etwa im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, mit wallenden Haaren, strahlendem Lächeln und Modelmaßen, wirken wie Schaufensterpuppen.

Das Bild ist ein paar Jahre alt - und wäre so heute nicht mehr möglich. Bei der Miss-Germany-Wahl im Februar 2019 gab es kein Schaulaufen in Badebekleidung mehr. Die "Me Too"-Debatte scheint auch an den Schönheitswettbewerben nicht spurlos vorbeigezogen zu sein. Andererseits erfreut sich die deutsche Misswahl großer Beliebtheit: Die Zahl der Bewerberinnen ist dieses Jahr so groß wie nie zuvor.

Interessentinnen können sich für die Wahl im Februar 2020 bis zum 31. August online registrieren. Bislang ist die Resonanz laut Max Klemmer, Geschäftsführer von Miss Germany, "außerordentlich positiv". Bis Mitte August seien 5000 Bewerbungen eingegangen, bis zum Anmeldeschluss rechne er mit insgesamt 10 000. "In den letzten Jahren hatten wir dagegen im Schnitt 7000 bis 8000 Bewerbungen", sagt Klemmer. Deutschland ist keine Ausnahme. Laut Guardian haben sich dieses Jahr 20 000 Frauen für die Wahl zur Miss England beworben - ebenfalls ein Rekord.

Wie passt das in eine Zeit, in der Schönheits- und Modelwettbewerbe zunehmend kritisch betrachtet werden und Frauen, die mit ihrem Aussehen berühmt werden wollen, das auch ohne fremde Hilfe auf Plattformen wie Instagram schaffen können?

Ein Wettbewerb mit Tradition

Im Vereinigten Königreich gibt es den Schönheitswettbewerb seit mittlerweile 91 Jahren. Bereits ein Jahr vorher, 1927, wurde im Berliner Sportpalast die damals 21 Jahre alte Hildegard Kwandt als erste Miss Germany gekürt. Obwohl der Wettstreit zwischenzeitlich an Beliebtheit verloren hatte, stellten sich in den vergangenen 20 Jahren wieder viele junge Frauen auf Laufstegen in Einkaufszentren, Hotels und Clubs dem Publikum und einer überwiegend männlichen, oft auch älteren Jury. Die Frauen wurden dabei nach ihrem Aussehen beurteilt und mussten neben den geforderten 90-60-90-Maßen auch bereit sein, sich in knappen Bikinis zu präsentieren. Dadurch bekamen Miss-Wahlen mit der Zeit den Ruf, der "reinen Fleischbeschau" zu dienen.

Wer heute einen Blick auf die Homepage von Miss Germany wirft, erkennt schnell, dass es hier nun nicht mehr nur um das Aussehen gehen soll. Zumindest versucht die Marke dies mit Slogans wie "Wir glauben an die Kraft der Frauen" und "ein echter Personality Contest" gebetsmühlenartig zu vermitteln. Man sieht wenig Haut, keine Bikinis, dafür aber eine junge Frau mit ihrem Sohn auf dem Arm.

Erstmals durften verheiratete Frauen und Mütter teilnehmen

"Die Wahl inszeniert die Persönlichkeit in einer Weise, wie es vor 50 Jahren noch nicht möglich gewesen wäre", sagt die Soziologin und Geschlechterforscherin Nina Degele von der Uni Freiburg. Identifikationsfiguren sollen sie sein, die "starken authentischen Frauen" werden auf der Webseite von Miss Germany mit Leitsätzen wie diesem angesprochen: "Ihr Frauen von heute habt die Welt verändert." Deshalb wolle man ihnen eine Plattform bieten, die ihre "kreative Wirkung verstärken" solle.

Um, wie Geschäftsführer Klemmer sagt, "ganz weg vom klassischen Schönheitswettbewerb hin zu einem Persönlichkeitswettbewerb mit glaubwürdigen Protagonistinnen" zu kommen, habe man ein Jahr lang an einem neuen Konzept gearbeitet. Dafür sollen die Frauen ihren Charakter zum Ausdruck bringen und ihre Lebensgeschichte erzählen. Schon während des Bewerbungsprozesses solle es nicht mehr um Traummaße gehen, sagt Klemmer, sondern um Fragen wie: Für welche Werte stehe ich? Was sind meine Träume?

Alle träumen vom "Weltfrieden"

Doch gab es dieses Versprechen nicht auch schon vorher? Im Film "Miss Undercover" aus dem Jahr 2000, in dem Sandra Bullock in ihrer Rolle als FBI-Agentin bei einer Misswahl eingeschleust wird, verspottet diese die Frauen dafür, dass sie alle vom "Weltfrieden" träumen.

Seit der letzten Miss-Germany-Wahl im Februar 2019 hat sich neben der abgeschafften Bikini-Runde noch mehr verändert. Bei manchen Neuerungen verwundert es, dass sie erst jetzt eingeführt werden: Erstmals durften verheiratete Frauen und Mütter teilnehmen. Nun wurde für die Wahl 2020 die Altersobergrenze für Bewerberinnen um zehn Jahre auf 39 angehoben. Ein Fünftel der bisherigen Bewerberinnen ist laut Klemmer zwischen 30 und 39 Jahre alt.

"Es ist trotzdem noch eine Miss-Wahl"

Soziologin Degele hält die Neuerungen für eine logische Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre: "Die klassischen Misswahlen sind im Grunde ein kompletter Anachronismus. In unserer Gesellschaft ist es heute selbstverständlich geworden, dass Frauen mehr als einfach nur schön sein können. Dazu gehört Schönheit in Verbindung mit Intelligenz, Charme, Natürlichkeit - aber alles andere als Dummheit", sagt Degele. Insofern sei das neue Konzept eine konsequente Reaktion, um mehr Menschen zu erreichen, die dann das Gefühl vermittelt bekommen, es ginge um ihre inneren Werte.

Zu euphorisch blickt sie aber nicht auf das neue Konzept: "Es ist trotzdem noch eine Misswahl und weder ein Intelligenzwettbewerb noch eine Persönlichkeitswahl", sagt Degele. Frauen sollten sich nicht davon einlullen lassen. Der Wettbewerb werde lediglich anders vermarktet, das sei clever und perfide zugleich.

Es geht also nach wie vor ums Aussehen - aber nicht mehr so offensichtlich, dass man Fotos in pinken Bikinis bräuchte. Dafür müssen die Teilnehmerinnen jetzt eben eine Persönlichkeit kreieren: Jede Kandidatin müsse, so Klemmer, einen eigenen Instagram-Account besitzen und dort dokumentieren, was sie macht und wofür sie sich einsetzt.

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