Als Lebensmotto hat sie angeblich einmal in einen Fragebogen eingetragen: "Lieber bereuen, etwas getan zu haben, als bereuen, etwas nicht getan zu haben." Der Satz fasst dieses Menschenleben erstaunlich gut zusammen: Mehr, immer mehr. Miriam Meckel kann nie genug bekommen.
Die Kommunikationswissenschaftlerin, die den meisten Deutschen als Lebensgefährtin von TV-Moderatorin Anne Will bekannt ist, hat gerade ein Buch geschrieben: Brief an mein Leben. Es handelt von ihrem Burn-out. Und es ist mehr als die Beschreibung eines fünfwöchigen Klinikaufenthalts im Allgäu. Es ist die Analyse eines Lebens, eine Zwischenbilanz. Es sind 200 Seiten, die vielleicht mehr über die Autorin erzählen, als sie es ahnt.
Miriam Meckel, 42 Jahre alt, hat vieles erreicht - und zwar rasend schnell. Nach dem Publizistikstudium arbeitet sie als Moderatorin und Reporterin bei RTL und WDR. 1999 bekommt Meckel, ohne eine Habilitationsschrift eingereicht zu haben, einen Lehrstuhl für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster. Sie gilt in dieser Zeit als jüngste Lehrstuhlinhaberin Deutschlands. Das Leben läuft wie geschmiert.
Im Frühjahr 2001 wird sie Staatssekretärin und Regierungssprecherin von Nordrhein-Westfalen. Wolfgang Clement (damals SPD) selbst soll sie ausgesucht haben. Dessen Nachfolger als Ministerpräsident, Peer Steinbrück, macht die junge Frau eineinhalb Jahre später zur Staatssekretärin für Europa, Internationales und Medien. Meckel, damals Mitte 30, gilt als zentrale Strippenzieherin der NRW-Medienpolitik.
2005 folgt die Tochter eines Theologen dem Ruf als Professorin und Direktorin an das Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen. Von ihrem Zweitbüro in Berlin aus arbeitet sie für die PR-Beratung Brunswick, die international Investoren hilft.
Stubenarrest im Allgäu
Sie veröffentlicht Fachartikel und schreibt Essays für die Presse, hält auf der ganzen Welt Vorträge, ist willkommener Gast an Universitäten und auf Podien, sie tritt als Expertin im Fernsehen auf und moderiert zwischendurch auch ihre eigene, politische Talkshow auf n-tv. Sie ist das schöne Gesicht der Mediengesellschaft. Sie schreibt Bücher, ein Blog, sie twittert schon morgens um sechs. Sie schläft selten mehr als drei Stunden. Und dann bricht sie zusammen.
Diagnose: schwerer Erschöpfungszustand. Sie kann nicht mehr. Zumindest für kurze Zeit.
Meckel entscheidet sich für einen Klinikaufenthalt. Sie lässt sich auf Gruppengespräche, medizinischen Stubenarrest und Schlafentzug-Experimente ein. Sie lernt viel, mal wieder.
Kosmetische Korrekturen
Vor ihrem Zusammenbruch hat Meckel ein vielbeachtetes Buch veröffentlicht, Das Glück der Unerreichbarkeit. Es ist ein Plädoyer gegen die stetige Erreichbarkeit per Handy, Blackberry und Mail. Intellektuell hat sie sämtliche Zwänge und die dadurch entstehenden Probleme durchdrungen - im eigenen Leben aber konnte sie kaum eine ihrer Erkenntnisse umsetzen.
Dieser Eindruck bleibt auch nach Lektüre ihres neuen Buchs Brief an mein Leben. Miriam Meckel schreibt sehr ehrlich und offen. Sie hat ihre Schwächen erkannt, die Bürden aus ihrer Biographie, die falschen Denkmuster. Sie weiß, dass ein Leben nicht atemlos gelebt werden sollte. Doch die Konsequenzen, die sie daraus zieht, sind meist nur kosmetischer Art. Größere Zeitabstände beim E-Mails-Checken zum Beispiel, nur noch dreimal täglich. Weniger Rummel. Aber wie wenig?
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was Miriam Meckel antreibt - und wie sie aus ihrer größten Krise noch Kapital schlägt.