Migräne:Vom Kopfweh zum Herzschmerz

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Migränepatienten haben ein doppelt so hohes Risiko für einen Herzinfarkt wie Menschen ohne die starken Kopfschmerzen.

Werner Bartens

Wer an Migräne leidet, hat offenbar auch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt. Zu diesem Ergebnis kommen Ärzte vom Albert Einstein College of Medicine in New York im Fachblatt Neurology (Bd.74, S.628, 2010).

Nicht nur lästig, sondern auch gefährlich: Migräne bedroht die gesamte Gesundheit. (Foto: Foto: ddp)

Die Wissenschaftler gelangen außerdem zu dem Schluss, dass auch die Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall bei Migränepatienten größer ist. Andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte und die Neigung zu Diabetes sind bei Migränikern ebenfalls deutlich stärker ausgeprägt.

"Migräne wurde immer als äußerst lästiger Zustand angesehen, der die Lebensqualität beeinträchtigt - aber nicht als Bedrohung für die gesamte Gesundheit", sagt der Neurologe Richard Lipton, der die New Yorker Arbeitsgruppe leitet. "Unsere Untersuchung zeigt, dass Migräne keine isolierte Störung ist, sondern dass man in der Betreuung von Patienten auch auf andere Risiken achten und gegebenenfalls etwas dagegen tun sollte."

Für die Studie hatten die Neurologen 6100 Patienten mit Migräne und 5200 Patienten ohne Migräne untersucht. Unter den Migräne-Kranken erlitten 4,1 Prozent einen Infarkt - im Vergleich zu 1,9 Prozent bei den Probanden ohne Migräne. Litten die Patienten unter Migräne mit Aura, war ihr Risiko sogar dreimal so hoch wie bei Studienteilnehmern ohne Migräne. Als Aura bezeichnen Neurologen eine Form der Migräne, die mit Lichtirritationen, Zickzacklinien im Gesichtsfeld oder getrübtem Blick einhergeht.

Da die Migränepatienten auch deutlich häufiger Diabetes sowie erhöhte Cholesterin- und Blutdruckwerte aufwiesen, könnte dies erklären, warum sie öfter einen Infarkt oder Schlaganfall bekommen. Aus Expertensicht reicht diese Interpretation jedoch nicht aus. Denkbar wäre auch ein physiologischer Zusammenhang zwischen Migräne und verstopften Gefäßen: Als eine Ursache der Kopfschmerzattacken gilt eine Funktionsstörung der Gefäßinnenwand.

Diese als Endothel bezeichnete Schicht zieht sich bei Menschen mit Migräne vermutlich unwillkürlich zusammen - die resultierenden Druck- und Volumenschwankungen der Blutgefäße im Gehirn tragen zu der lästigen Pein im Kopf bei. Ist die Gefäßinnenwand in den Herzkranzgefäßen ebenso labil und wechselhaft, droht aber auch eher ein Infarkt.

Lipton plädiert dafür, die Migräne eher als chronische Erkrankung mit gelegentlichen symptomatischen Attacken zu sehen - vergleichbar mit Asthma. Menschen mit Migräne sollten nicht in Panik geraten, empfehlen die Mediziner, denn der Anteil der vom Infarkt Betroffenen sei relativ schmal. "Es gibt aber gute Gründe für Migränepatienten, ihre anderen Risikofaktoren für Herzkreislaufleiden in den Griff zu bekommen", sagt der Neurologe Marcelo Bigal. "Gegen Bluthochdruck und starkes Übergewicht kann man ja etwas tun."

In früheren Studien wurden bereits Hinweise dafür gefunden, dass bei Menschen mit Migräne und Aura das Infarktrisiko erhöht ist. Die Probanden waren jedoch zumeist Ärzte und Pflegende jenseits der 45. In der aktuellen Studie zeigt sich, dass alle Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 80 der erhöhten Gefahr ausgesetzt sind - egal an welcher Migräneform sie leiden.

© SZ vom 11.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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