Trend-Kolumne "In aller Munde":Jetzt brennt's

Lesezeit: 2 Min.

Für Chili Crisp übergießt man getrocknete Chilis mit heißem Öl. (Foto: xbhofack2x/IMAGO/Pond5 Images)

Chili Crisp ist scharfe Soße mit Knusperstückchen und gehört gerade auf so gut wie jedes Gericht. New Yorker Gastronomen ziehen wegen des Dips sogar vor Gericht. Dabei ist das Rezept uralt und lässt sich prima selbst machen.

Von Titus Arnu

Sie ist würzig bis scharf, glühend rot und hat die Konsistenz von gebratenen Speckwürfeln: Chilisauce mit Knusperstückchen gilt derzeit als der neueste heiße Scheiß. "Chili Crisp" brennt gerade auf allen Social-Media-Kanälen, wird in New Yorker wie Berliner Hipsterläden über praktisch jedes Gericht gekippt und in Stilmagazinen als genialste Erfindung seit Spaghettieis und Poké-Bowl gefeiert. Die scharfen Flocken peppen angeblich so gut wie alles auf - Pizza, Nudeln, Knödel, Salate, gegrillten Käse, Spiegeleier, Avocado-Toast und sogar Vanilleeis.

Die New Yorker Restaurantkette Momofuku verkauft in ihrem Online-Shop "Chili Crunch" für 13 Dollar pro 150-Gramm-Gläschen, dazu braucht man dann unbedingt noch den offiziellen Chili-Crunch-Holzlöffel für sieben Dollar. Konkurrenten, die ebenfalls überteuertes Knusper-Chili unter die Leute streuen wollten, verklagte Momofuku-Gründer David Chang wegen Missbrauchs des Markennamens "Chili Crunch". Echt jetzt? Was soll daran so einzigartig sein? Und wieso sind plötzlich alle so scharf auf das Zeug?

In China, Korea, Vietnam, Thailand, Indien und Indonesien gehören Würzsaucen aus in Öl gerösteten Chilis, Knoblauch, Zwiebeln und anderen Zutaten seit Jahrhunderten zum Kücheninventar. Dass in großen Teilen Asiens so scharf gegessen wird, liegt vor allem am dortigen Klima. Ob Chili, Ingwer oder Zwiebeln, Schärfe regt die Schweißbildung an, durch die Feuchtigkeit auf der Haut sinkt die Körpertemperatur und die Hitze wird besser erträglich. Studien zeigen, dass das im Chili enthaltene Capsaicin positive Eigenschaften für den Körper hat: Es sorgt für die Ausschüttung von Endorphinen, regt den Speichelfluss und die Magensaftbildung an.

Im Westen wird das Essen immer schärfer

Warum aber ist die knusprige Chilisoße gerade jetzt so gefragt, auch außerhalb der Garküchen Bangkoks und Hongkongs? Scharfes Essen ist bei westlichen Verbrauchern insgesamt auf dem Vormarsch. Laut einer globalen Umfrage von Kalsec, einem amerikanischen Gewürzhersteller, verschärft mehr als die Hälfte aller Verbraucher ihr Essen. Der Crunch-Trend kam im Zusammenhang mit Lao Gan Ma auf, der wohl bekanntesten Frau Chinas, ihr Gesicht prangt auf den Produkten der gleichnamigen Marke aus Guizhou in Südwestchina. Die Crispy-Chili-Sauce von Lao Gan Ma ist bereits seit 1984 im Handel und gelangte über China-Restaurants und Asia-Supermärkte nach Europa und in die USA.

Während der Pandemie, als viele Leute mit Sauerteig, komplizierten Ottolenghi-Rezepten und selbstgemachter Pasta experimentierten, entdeckten Koch-Influencer Crunchy Chili in Öl als eine Art Zauber-Elixier, um mit einfachen Mitteln etwas Exotik auf den Esstisch zu bringen. Ob kalte Nudelsalate, Kartoffel-Curry oder Klebreis mit Gemüse, die knusprig-scharfe Soße verwandelt auch Reste vom Vorabend in spannende neue Gerichte. In Bhutan isst man Crispy Chili übrigens wie hierzulande Müsli, zum Frühstück, mit Buchweizenpfannkuchen oder Reisbrei - Nahrungsaufnahme und Munddesinfektion in einem.

Knusper-Chili muss man sich nicht für 13 Euro im Glas online bestellen, man kann es leicht selbst herstellen. Rauchend heißes Rapsöl wird mit Gewürzen aromatisiert und über sonnengetrocknete Chilis gegossen. Gut eignen sich mittelscharfe Chilis, die je nach Geschmack mit fermentierten Sojabohnen, Erdnüssen, Sesamsamen, gehacktem Knoblauch oder Zwiebeln vermischt werden. Etwas Zucker und Salz gehören auch mit hinein, sodass am Ende eine sehr spezielle Mischung aus Knusprigkeit, Salzigkeit, Schärfe, Süße und Umami entsteht. Vorsicht, das Zeug kann süchtig machen!

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