Ist die Periode, die fruchtbare Frauen einmal im Monat haben, eine stinknormale und leicht unappetitliche Angelegenheit, die es zu verbergen gilt? Oder ist dieses Blut eher ein Geschenk, das Elixier des Lebens und außerdem ein hervorragendes Material um Kunstwerke zu schaffen? Und müssen wir darüber wirklich reden?
Man kann sich durchs Leben bewegen ohne es mitzubekommen, nicht aber durch die Medien: Dass Frauen während der Zeit ihrer Fruchtbarkeit bluten und was das mit ihnen macht, ist ein Thema über das viele von ihnen neuerdings auch in der Öffentlichkeit reden wollen. Tamponwitze gehören zum Inventar progressiver Unterhaltungsformate, StartUps verkaufen mit lustigen Anzeigen nachhaltige Hygieneartikel und in den Sozialen Medien wurde 2017 zum Jahr der #PeriodPositivity gekürt. Der deutsche Verlag Gräfe und Unzer veröffentlichte vor ein paar Monaten das Coffee-Table-Buch "Ebbe und Blut", in dem zwei junge Autorinnen minutiös den Zyklus erklären und von der Ästhetik vollgebluteter Unterhosen schwärmen.
Einerseits stehen sie damit in einer langen feministischen Tradition. Denn die Menstruation hat in der Geschichte einen besonderen Status als Depp vom Dienst: Ohne sie gäbe es keine Menschheit. Trotzdem will die Menschheit von ihr so wenig wie möglich wissen. Sämtliche Weltreligionen erklärten Frauen auf Grund ihrer Blutungen für unrein: Eine willkommene Basis für Marginalisierung und Diskriminierung über die Jahrtausende. Noch heute gelten Frauen in der Zeit ihrer Blutung in manchen Regionen als unberührbar. Und auch in säkularen und halbwegs gleichberechtigten Gesellschaften läuft wahrscheinlich keine einzige Frau herum, die sich nicht in Momenten schlechter Laune den Satz "Du hast wohl deine Tage?!" anhören musste. Der amtierende Präsident der USA übertraf sich in Sachen Grobschlächtigeit mal wieder selbst, als er die kritischen Fragen einer Journalistin öffentlich damit abtat, der sei ja während des Interviews offensichtlich "das Blut aus ihrer Sonstwas" getropft.
Trotzdem herrschen bei dem Thema in der westlichen Welt weniger die Tabus als eine aggressive Mischung aus Nichtwissen und Desinteresse. Junge Frauen werden mit dem Beginn ihrer Fruchtbarkeit gern zum Arzt geschickt und mit der Pille medikamentiert, und viele Männer lernen erst, dass es so etwas wie einen Zyklus gibt, wenn sie mit ihrer Partnerin ein Kind zeugen wollen.
Die neue Welle der Menstruationsaufklärung sollte man also nicht so sehr als Schamabbaumaßnahme missverstehen. Frauen, die ihre blutigen Tampons fotografieren und als #Menstruationskunst online stellen, gehen in gewisser Weise zum Gegenangriff über, sie betreiben Wahrnehmungserweiterung zum eigenen Schutz. Denn bedrückender als Tabus wirkt auf viele Frauen die glatten, durchinstagrammten und supergefilterten Ideal-Körper, der ihnen von allen Seiten als das Bild der Frau präsentiert wird. Ein Körper, der Authentizität ausstrahlt, aber doch keine echten Qualitäten zeigt, der immer nah, aber absolut nicht zu fassen ist.