Aktionstage:Alles ist erleuchtet

Lichtaktion zum Internationalen Tag der Kinderrechte

Was brauchen Kinder? Eine blaue Münchner Arena nicht unbedingt.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Blau, orange, lila und manchmal sogar in Regenbogenfarben: Ständig werden Gebäude angestrahlt, um auf Frauen, Kinder, Minderheiten aufmerksam zu machen. Das ist etwas zu durchsichtig.

Von Barbara Vorsamer

Am 3. Dezember erstrahlte die FC-Bayern-Arena in Lila, am 25. November leuchtete sie blau und am 20. November orangefarben. Das hatte aber nichts damit zu tun, dass plötzlich Osnabrück, Schalke oder gar die niederländische Nationalmannschaft an diesen Tagen Heimrecht gehabt hätten. Nein, mit der sogenannten "Sonderbeleuchtung" sollte ein Zeichen gegen Partnerschaftsgewalt gesetzt werden (orangefarben), für Kinderrechte (blau) und für die Inklusion von Menschen mit Behinderung (lila). Nur beim Weltmädchentag (11. Oktober, und die Farbe wäre natürlich Pink gewesen) war die Arena des FC Bayern nicht mit präsent. Dabei können die 1056 Luftkissen theoretisch in jeder denkbaren Farbe leuchten. An welchem Datum es wie bunt wird, entscheidet die Geschäftsführung "je nach grundsätzlicher und situativer Relevanz", wie das Medienteam des FC Bayern mitteilte. Sind also Mädchen weder grundsätzlich noch situativ relevant genug für 26 000 Quadratmeter weithin sichtbare Illumination?

Andererseits: Wichtig kann nicht die relevante Kategorie für diese politisch korrekten Lichterspiele sein, die inzwischen inflationär eingesetzt werden. Deutschlandweit werden andauernd Stadien angestrahlt, Denkmäler, Brücken, Kräne, Baustellen, Rathäuser und Landtage. Dabei geht es dann wahlweise um die Sichtbarkeit von LGBTQI*, gegen Rassismus, für Inklusion, gegen Sexismus. Es wurden auch schon Gebäude beleuchtet, um auf Kinderhospizarbeit, Chorea Huntington und Neurofibromatose aufmerksam zu machen, auf die prekäre Situation von Kulturveranstaltern während der Corona-Pandemie.

Am Ende ist es nicht mehr als ein symbolisches Kopftätscheln

Nur vom Aktionstag für mittelalte Männer in Führungspositionen hat man noch nichts gehört, auch für mehr Sichtbarkeit für Heterosexuelle und weniger Diskriminierung von durchtrainierten Bundesligaprofis setzt sich bislang keiner ein. "Das beleuchtet ganz gut, wie unsere Gesellschaft funktioniert, wer zum Mainstream gehört und wer nicht", so kommentiert Julia Moser die Illuminationsinflation. Sie ist Head of Inclusion bei MyAbility, der Unternehmensberatung, die hinter der lilafarbigen Lichtaktion am Tag der Menschen mit Behinderungen steckt. "Orange the World", die Aktion gegen Partnerschaftsgewalt, wurde von UN Women initiiert, Pink zum Weltmädchentag war die Idee von Plan International und das Blau zum Tag der Kinderrechte ist die Farbe der Unicef.

Lichtaktion zum Internationalen Tag der Kinderrechte

Das Münchner Rathaus am Tag der Kinderrechte.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Alles legitime Anliegen, alles echte Probleme. Fragwürdig sind also nicht die Leuchtaktionen - sondern die, die sich daran beteiligen, obwohl sie noch ganz andere Möglichkeiten der Einflussnahme hätten. Es wirkt ganz schön billig, wenn die Fröttmaninger Arena zwar anlässlich des Christopher Street Days in Regenbogen erstrahlt, der Betreiber sich dasselbe aber während der Europameisterschaft von der Uefa verbieten lässt. Ein bisschen merkwürdig kommt es einem vor, wenn Behörden wie das Münchner Rathaus zum Tag der Kinderrechte im schönsten Blau leuchten, während in Schulen immer noch Luftfilter fehlen, Kinder keinen Impftermin bekommen, Sportvereine den Betrieb einstellen. Und was nützt den vielen von Gewalt betroffenen Frauen orangefarbenes Licht auf Parlamenten und Ministerien, wenn die Istanbul-Konvention noch immer nicht ratifiziert ist, Frauenhäusern das Geld fehlt und jeden dritten Tag eine Frau umgebracht wird?

Es ist ein symbolisches Kopftätscheln, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel 2019 den schulschwänzenden "Fridays for Future"-Kindern zuteilwerden ließ. Sie hätten recht mit ihren Forderungen, ließ die "Klimakanzlerin" und ehemalige Umweltministerin damals wissen. Dabei waren es doch sie selbst und all die anderen Mächtigen dieser Welt, gegen die die Jugendlichen auf der Straße protestierten, ihre Klimapolitik stand in der Kritik. Auf dieselbe Weise biedern sich nun Institutionen und Unternehmen per LED an die gute Sache an, egal welche das gerade ist, schließlich sind doch alle irgendwie gegen Gewalt, für Kinder, Gleichberechtigung, Liebe, Frieden, Regenbogen.

Farbiges Licht ist ein sehr einfaches Mittel, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Natürlich braucht es Aufmerksamkeit und öffentlichen Druck, um etwas zu bewegen. Dazu können bunte Scheinwerfer genauso beitragen wie Fotos davon auf Instagram und Hashtags auf Twitter. Doch wenn es so viele Beleuchtungsaktionen gibt, dass inzwischen jede Farbe mehrfach belegt ist - dann könnte doch mal jemandem ein Licht aufgehen.

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