Glosse „Schön doof“:Zeilen der Verbundenheit

Lesezeit: 2 Min.

Melania Trump, der damalige US-Präsident Donald Trump und Prince Charles bei einem Treffen in London 2019. (Foto: Chris Jackson/Getty Images)

Melania Trump berichtet in ihren Memoiren wenig Überraschendes. Einzige Ausnahme: ihre Brieffreundschaft mit König Charles III.

Von Julia Rothhaas

Der große Knall war in „Melania“, dem gerade in den USA erschienenen Buch der gleichnamigen Frau Trump, ohnehin nicht zu erwarten. Schließlich liegt der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Memoiren der ehemaligen First Lady nicht zufällig exakt vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl. Also plätschert sich die 54-Jährige von der Suche nach einem neuen Teppich im Oval Office hin zu der ach so guten Beziehung zu ihren vier Stiefkindern, ohne etwas wirklich von sich preiszugeben. Relevantes zu Stormy Daniels oder dem Sturm auf das Capitol? Nix da, es ist Wahlkampf. Umso erfreulicher, dass ein Detail dann doch überrascht: Melanias Brieffreundschaft mit König Charles III.

Seit dem ersten Kennenlernen 2005 in New York, als König Charles noch Prince von Wales hieß, habe man angefangen, sich regelmäßig zu schreiben, so zitieren es die Rezensenten des Buchs. Melania war beeindruckt von Charles’ „tiefverwurzeltem Engagement für Umweltschutz“, danach sei der Kontakt nicht mehr abgerissen. Gern würde man einen Blick in diese Briefe werfen; derweil kann man nur mutmaßen, wie sie sich etwa Tipps holte, als sie 2020 den Rosengarten vor dem Weißen Haus neu anlegen ließ: „Tulpen weg, Zierapfelbäume raus, was meinst du, lieber Charles?“

In Briefen an Nancy Reagan berichtet Charles von seiner Ehekrise mit Diana

Eine Brieffreundschaft zwischen London und Washington ist jedoch nicht ungewöhnlich: Über viele Jahre vertraute sich der junge Charles bereits Nancy Reagan an, die Korrespondenz lagert seit ihrem Tod 2016 in der präsidialen Reagan-Bibliothek in Kalifornien. In seinen Briefen, die mit einem zarten „My Dear Nancy“ beginnen, tauschte er sich mit der First Lady über den Tod seiner Großmutter aus („Wie habe ich mich vor ihrem Ableben gefürchtet!“), über seine Ehekrise mit Diana, die er eine „Griechische Tragödie“ nennt, und dass er sich nach der Veröffentlichung privater Details nur trösten konnte, indem er Klassiker las.

Origineller ist da nur die Brieffreundschaft, die der ehemalige US-Präsident George W. Bush über zehn Jahre unterhielt: mit Timothy von den Philippinen, damals sieben Jahre alt. Der Kontakt entstand über eine Hilfsorganisation, Bush finanzierte Timothys Schule und Hobbys. Schon in seinem ersten Brief im Januar 2002 versicherte er dem Kind seine Zuneigung: „Obwohl wir uns noch nie getroffen haben: I love you.“ Um den Jungen zu schützen, unterzeichnete er seine Briefe mit George Walker. Den Präsidenten ganz weglassen? Gelang ihm gegen den Rat seines Sicherheitsstabs allerdings nicht: So schickte er Timothy ein Foto von seinem Hund Sadie („sie hat schon viele berühmte Menschen getroffen“) und berichtete, dass er an Weihnachten ins Weiße Haus eingeladen worden war. Stell dir das mal vor, kleiner Timmy!

Was man je aus den Briefen zwischen Charles und Melania erfahren wird? Fest steht nur: Würde sie darin tatsächlich Privates preisgeben, dürften selbst Klassiker nicht mehr trösten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUS-Wahlkampf
:Die Lust an der Angst

Trump gegen Harris: Im Duell um die US-Präsidentschaft sind die Suburbs heiß umkämpft. Unser Autor hat in den vergangenen drei Jahren in einer amerikanischen Vorstadt gelebt und kennt die besondere Gefühlslage dort.

Von Andreas Remien

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: