Man kann nicht behaupten, dass derlei nicht schon mal vorgekommen wäre in Washington. Nur dass George W. Bush 2006 noch den Anstand besaß, beim Galadinner des Pressekorps des Weißen Hauses gemeinsam mit seinem Double aufzutreten. Während der echte Präsident sich absichtlich durch seine Rede haspelte, Worte falsch aussprach und unzumutbare Satzgebilde konstruierte, stand der falsche Bush (Comedian Steve Bridges) daneben und erklärte, was der Präsident damit sagen wollte. Das war ein Lacher, der Bushs miese Popularitätswerte allerdings auch nicht nennenswert in die Höhe trieb.
Dem Ehepaar Trump wiederum trauen die Menschen inzwischen alles zu, außer Humor. Dass sie fake sind, wer hätte je daran gezweifelt? Dass einer von ihnen mitunter aber gar nicht er (oder vielmehr sie) selbst sein könnte, diese Theorie wurde in den vergangenen Tagen wieder einmal breit debattiert und hat wie alles, was auf diesem Planeten gemutmaßt wird, längst ihren eigenen Hashtag: #FakeMelania.
Dabei musste man, als die sonnenbebrillte First Lady an der Seite ihres Gatten vor ein paar Tagen den startbereiten Helikopter Marine One bestieg, schon mit einer ebenso hochfliegenden Fantasie ausgestattet sein, um die Veränderungen zu bemerken. Auf Twitter ist dieses Vorstellungsvermögen notorisch vorhanden. Nach den Regeln des "Spot the difference"-Spiels stellten Hunderte User Melania-Fotos nebeneinander und wiesen der Doppelgängerin im Helikopter die folgenden Fehler nach: "Das Haar sieht flauschiger und kürzer aus, die Nase sieht spitzer aus, und der Abstand der Oberlippe zur Nase sieht kürzer aus." Falten um den Mund seien nicht mehr vorhanden. Die Schneidezähne seien weniger eckig. Fazit: "THAT AIN'T HER."
Saddam Hussein hatte drei Doubles
Ein Wunder eigentlich, dass die Sicherheitskräfte nicht unverzüglich einschritten und die billige Melania-Kopie vom Rasen des Weißen Hauses warfen. Noch erstaunlicher, dass man selbst, auch nach ausführlichem Fotostudium, keinerlei Unterschiede festzustellen vermag.
Andererseits ist das Geschäft der Doppelgängerei naturgemäß eines, welches sich weitgehend im Verborgenen abspielt. Wenn einer ein Double schickt, weil er um sein Leben fürchtet, gerade keine Zeit hat für eine öffentliche Performance oder null Bock auf das gesetzte Abendessen mit dem Chef und seiner blasierten Frau , dann will er (oder auch sie) ja eben nicht, dass man ihm (oder auch ihr) draufkommt.
Dass Osama bin Laden, Nicolae Ceaușescu und Muammar al-Gaddafi Doubles einsetzten, ist wahrscheinlich, bis heute aber nicht letztgültig bewiesen. Dass der Schauspieler Felix Gadschijewitsch Dadajew, als Josef Stalin verkleidet, Rundfunkreden hielt und auf dem Roten Platz manchmal die Parade abnahm, erzählte er der Prawda erst Jahrzehnte später. Auch die drei Doubles von Saddam Hussein konnten nur dingfest gemacht werden, weil irgendwann die computergestützte Bildanalyse erfunden wurde. Unbestätigt bleibt hingegen die Behauptung eines Tokioter Professors, der wackere nordkoreanische Diktator Kim Jong-il seit bereits acht Jahre vor seinem offiziellen Ableben an Diabetes verstorben und danach von einem Doppelgänger vertreten worden.
Inflagranti erwischt wurden nur die weniger totalitären Doubles. Dass bei der Gala der Prager Filmpreisverleihung 2015 nicht der echte Jim Carrey, sondern ein No-Name namens Hari Zinhasovic auf der Bühne stand, vermuteten die Paparazzi schon am roten Teppich. Auch die Gewichtheber der Republik Moldau verhoben sich, als sie Doubles zur Dopingprobe schickten; wahrscheinlich waren für die schmale Miete von 60 Dollar keine glaubhaften Muskelmänner verfügbar. Nicht viel geschickter stellte sich der Fußballer Neymar an: Während er seinen Knöchelbruch vor der Brasilien-WM behutsam auskurierte, schickte er einen Doppelgänger zu Werbeterminen, was trotz einer gewissen Ähnlichkeit im Frisurbereich nicht unbemerkt blieb.
Drei bis zwölf falsche Kaiser für Beckenbauer
Hartnäckig hält sich auch das Gerücht, Franz Beckenbauer habe 2006 beim deutschen Sommermärchen drei bis zwölf falsche Kaiser beschäftigt, um 48 von insgesamt 64 WM-Spielen besuchen zu können. Wobei man als Franz-Double um das Zauberfüßchen herum gefährlich lebt. Einmal den Ball nicht vom Weißbierglas durch die Torwand geschossen, schon bist du enttarnt.
Über nennenswerte fußballerische oder andere definierende Talente ist bei Melania Trump nichts bekannt. Eine Doppelgängerin müsste lediglich schön sein, amerikanisch mit slowenischem Akzent sprechen und die perfekte Föhnfrisur beherrschen, schon läuft die Sache. Und wenn es auch nicht wahrscheinlich ist, die Vorstellung hat etwas Tröstliches: dass eine andere im Marine One helikoptert, maskenlos durch die Virenhölle des Weißen Hauses stöckelt und den Pflichten des ehelichen Beischlafs nachkommt, während Melania in der 18 000-Einwohner-Gemeinde Sevnica im elterlichen Garten sitzt, auf die munter dahinplätschernde Save blickt und Pullis strickt für den anstehenden Corona-Winter. Wir übersenden warme Grüße aus München.