Mein erstes Mal (3): Yoga:Yoga to go

Verrenken für die Gesundheit: Der moderne Mensch hetzt nach der Arbeit nicht mehr ins Fitness-Studio, sondern lässt in Yoga-Lofts die Seele baumeln. Aber bitte sportlich!

Mirja Kuckuk

Es ist ganz still und warm. Ein paar Teelichter brennen. Auf Socken oder barfuß geht es über das Parkett. Einige Frauen liegen schon auf dem Boden, die Augen geschlossen, die Beine aufgestellt, die Hände auf dem Bauch gefaltet.

Yoga; Eichborn Verlag

Selbst Kühe mögen Yoga - so gut tut die indische Meditation.

(Foto: Foto: Eichborn Verlag)

Drei junge Männer kommen rein, schauen sich etwas hilflos um, grinsen und tun es dann den anderen nach. Schweigend eine rosa Matte nehmen, dazu eine weiche Decke, einen Baumwollgurt und zwei Kork-Klötze. Sie suchen sich einen Platz, legen sich hin und warten auf die Lehrerin. Auch wenn es für viele das erste Mal ist, bewegt man sich bald, als wäre es selbstverständlich.

Nikolina betritt den Saal des Yoga-Lofts. Eine junge Frau, barfuß, mit kleinen Ringen an den Zehen. Sie trägt ein enges Muskelshirt, ein Tattoo auf dem durchtrainierten Oberarm. Früher hat sie sich im Fitness-Studio geschunden - pures Hanteltraining. Seit sieben Jahren ist es aber das Yoga, das ihren Körper formt. "Das wird dir guttun", riet ihre Schwester ihr damals.

Heute beginnt Nikolina, wie jede der "Basic"-Stunden, liegend. Die Teilnehmer sollen ihren Atem spüren und sich entspannen. Das Münchner Yoga-Loft macht es Einsteigern leicht, den Weg zu der alten indischen Meditationslehre zu finden. Denn sie ist - den Bedürfnissen der westlichen Welt angepasst - zunehmend eine Bewegungslehre geworden. "Ich will die Leute in Bewegung bringen, sie sollen in einen Fluss geraten", sagt Nikolina.

Bevor es also mit fließendem Strecken und Dehnen losgeht, wird erst einmal das Atmen aktiviert. Jede Yoga-Übung (Asana) begleitet das Ein- und Ausatmen. Erst wenn man sich seinen Atem, über den man für gewöhnlich nie nachdenkt, bewusst gemacht hat, setzt Nikolina ihren Körper in Bewegung. Die Yoga-Anfänger folgen ihr.

Sie praktiziert das sogenannte Jivamukti-Yoga, das in den achtziger Jahren von Sharon Gannon und David Life entwickelt wurde. Die beiden Amerikaner reisten durch Indien, wo sie die unterschiedlichen Yoga-Weisen kennenlernten und verglichen. Für gestresste Westler entwickelten sie, basierend auf den alten meditativen Formen und den 200 Sutren (Versen) des Weisen Patanjali, eine moderne Form des Vinyasa-Yogas. Anspornende und ruhige Musik untermalt abwechselnd die Bewegungsabläufe.

Die drei jungen Männer sind bereits ins Schwitzen gekommen, Nikolina leitet von einer Übung zur nächsten über. Nachdem sie den Unterschied zwischen dem liegenden und dem sitzenden Sein spürbar gemacht hat, beginnt sie mit Warm-ups: Ausfallschritte nach vorne und nach hinten in den "Nach unten schauenden Hund". Man steht auf allen Vieren, Arme und Beine gestreckt, den Hintern schön weit nach hinten geschoben - bis es ordentlich zieht. Danach der "Krieger zwei" und das "Dreieck" - stehende Asanas, Vorwärtsbeugen und Stellungen, die die Hüfte öffnen.

Auf der nächsten Seite: Keine Angst vor Esoterik!

Yoga to go

Keine Angst vor Esoterik

Yoga; iStockphotos

Yoga: für die einen Entspannung des Geistes, für die anderen strammes Fitness-Programm.

(Foto: Foto: iStockphotos)

"Bei uns im Westen gibt es Menschen, die einfach flottere Bewegungen brauchen, die mehr Feuer in ihrem Körper haben, das angeheizt werden will", erklärt die Trainerin. "Unsere Form von Yoga entspricht den Bedürfnissen unserer Gesellschaft. Die Menschen sitzen tagsüber fast nur noch - ich will am Ende eines langen Tages Hitze in ihnen erzeugen."

Jede Zehe und jede Sehne spürt man nach spätestens einer halben Stunde. Anderthalb Stunden hält Nikolina die Gruppe im Fluss, ohne dass Stress aufkommt. Denn anders als in Fitness-Studios, wo rasante Aerobic-Stunden gern als "Power-Yoga" verkauft werden, spielt beim Jivamukti nach wie vor die ausgleichende Seite des Yoga eine Rolle.

Unter den sich Streckenden und Dehnenden sind vor allem Frauen - symptomatisch für das Interesse an dieser Form des sportlichen Ausgleichs in Deutschland. Der Berufsverband der Yogalehrenden (BDY) schätzt die Zahl der Yoga-Trainierenden auf drei Millionen Bundesbürger, von denen rund 80 Prozent Frauen sind. Auch die Gruppe der Yoga-Lehrenden, rund 10.000 in Deutschland, bestreiten vornehmlich Frauen.

Yoga-Stunden, wie sie in den drei Lofts in München und von Ende des Jahres an auch in Berlin angeboten werden, könnten den Sport jedoch auch für all jene attraktiv machen, die bislang glaubten, hier träfen sich ausschließlich Esoterik-Fans zum gemeinsamen Atmen und Dehnen. In den USA, wo auch Nikolina ihr Handwerk gelernt hat, sehen viele Yoga als sportliche Herausforderung - mit dem angenehmen Nebeneffekt der (totalen) Entspannung.

Das Studio ist betont schlicht eingerichtet. Große Fenster, helle Wände, Holzfußboden. Würde hier ein Gerät neben dem anderen stehen, könnte man sich in einem Fitness-Studio wähnen. Doch ein kleiner Schrein für den Elefanten-Gott Ganesh erinnert daran, dass hier "Yoga to go", eine sportliche Variante mit einem Hauch von Esoterik, praktiziert wird.

Ein gemeinsames "Om", das das konzentrierte Atmen verstärkt, eröffnet und schließt die gemeinsame Übungsstunde. "Ich möchte Einsteigern und Fortgeschrittenen in der Stunde einfach ein gutes Körpergefühl mitgeben", sagt Nikolina. Die sportliche Frau geht dabei behutsam vor. Sie vermittelt überzeugend, dass keiner sich ärgern oder stressen lassen soll, wenn er sich bei einer Übung besonders steif fühlt oder die Beine anfangen zu zittern. "Auch wenn das jetzt kitschig klingen mag - ich möchte, dass die Leute ihren Körper lieben, so wie er ist."

Kitschig - oder zumindest gewöhnungsbedürftig - mag es auf den einen oder anderen auch wirken, wenn am Ende der Stunde die Vorhänge zugezogen werden, das Licht ausgeschaltet und man zugedeckt einfach ein paar Minuten ruhen soll. Aber vor allem ist es eins: herrlich still und warm.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: