Medizin und Wahnsinn (138):Medizinerstadl mit Methode

Das aufgeweichte Werbeverbot für Ärzte hat Fragwürdiges mit sich gebracht: Zum Beispiel Gesundheitsshows mit Hüpfburg.

Werner Bartens

Im niederbayerischen Bad Füssing hat sich vor ein paar Tagen das Unheil materialisiert. Auf der Bühne standen der vermeintliche Gesundheitsexperte Hademar Bankhofer und der fleischgewordene Musikantenstadl Karl Moik. Beide sind Österreicher. Moik ist zudem noch gelernter Werkzeugmacher. Bankhofer hat nie Medizin studiert, dafür aber ein paar andere Studiengänge abgebrochen. Bankhofers medizinische Ratschläge sind wissenschaftlich ungefähr so gut belegt, wie Moik singen kann. Ansonsten pflegt er die Wechselwirkung mit Herstellern von Gesundheitsprodukten. Moik und Bankhofer zusammen auf einer Veranstaltung - was kann man mehr erwarten von der "Bad Füssinger Gesundheitsshow"?

Streit um Hüpfburg in Eschweiler

Spaß muss sein: Neben Behandlungsstühlen und Betäubungsspritzen darf auf dem dentalen "Tag der offenen Tür" eine Hüpfburg nicht fehlen. 

(Foto: iStockphoto)

Auch andernorts hat der Wahnsinn längst Methode. Eine Zahnarztpraxis in unserer Nähe hat kürzlich zum "Tag der offenen Tür" geladen. Besichtigung des Prophylaxe-Centers, smarter Smalltalk am Spuckbecken über Zahnstein und die richtige Oral-Hygiene. Hilfe. Kann man nicht verbieten, dass Zahnärzte, Urologen oder Enddarmspiegler ihren Opfern Behandlungsstühle, Betäubungsspritzen und Beruhigungsmittel zeigen und daraus eine Gesundheitsshow machen? Es gab auch eine Hüpfburg.

Vor wenigen Jahren noch galt das Werbeverbot für Ärzte. Da wurde um Millimeter gestritten, die das Praxisschild nicht größer sein durfte, sowie um Zusatzbezeichnungen darauf. Das Werbeverbot? Das ist mittlerweile bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht, sodass Mediziner nicht nur Reklame aufhängen und aus ihren Praxisschildern Reklametafeln machen, sondern wie die Feuerwehr oder - ha, ha - kürzlich ein Bordellbetreiber einen "Tag der offenen Tür" ausrufen.

Auch das "Medizinische Sommerfestival" unter dem Titel "Was den Darm bewegt", muss man sich wohl als gastroenterologische Kaffeefahrt vorstellen. Der Veranstalter verschweigt immerhin nicht, dass hier unter Leitung einer Ärztin in "geselliger Atmosphäre" auch "innovative Immunpräparate" angeboten werden. "Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes vor", hieß es in der ursprünglichen Begründung für eben jenes Verbot. Wahrscheinlich haben Juristen wie auch Ärzte mit Rest-Ethos resigniert erkannt, dass sich ein Werbeverbot gegen PR-trunkene Mediziner nicht mehr halten lässt.

Manchmal ist nicht auf Anhieb zu erkennen, ob bei einer neuen Behandlung oder Diagnostik Werbung, Selbsthilfe oder gar ein medizinischer Durchbruch im Vordergrund stehen. Ein Hamburger Sexualtherapeut bietet beispielsweise eine "neue Masturbationstechnik gegen Prostataprobleme" an. Die von Dr. H. entwickelte "Masturbation-Hormon-Therapie, kurz MHT genannt, produziert Glückshormone wie Oxytocin und Dopamin sowie Endorphine", erklärt Dr. H. Offensichtlich wird damit einem verbreiteten Missstand und einer enormen Energieverschwendung abgeholfen, denn "leider wenden viele Männer bei der sexuellen Stimulation primitive Techniken an, sodass sie die Masturbation nicht therapeutisch nutzen können". Ein Jammer.

Dabei gelänge mit dem von Dr. H. entwickelten und propagierten "Kronengriff" angeblich der therapeutische Umschwung, von dem man aber nur mit Hilfe eines kostenpflichtigen Videos profitieren kann. Nun ist ja nichts gegen ein paar Achtsamkeitsübungen im Alltag zu sagen. Das geht allerdings auch billiger und primitiver, etwa indem man seine Atemzüge zählt. Im Büro, zu Hause, unterwegs. Die verlangsamen sich nebenbei, man wird gelassener, ruhiger. Mit diesem innovativen Konzept ist man sogar immun gegen Gesundheitsshows, medizinische Festivals und Hüpfburgen im Dental-Center.

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