Medizin und Wahnsinn (22):Gefährliche Bettgeschichten

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Noch sind sie ein Tabu, doch immer mehr - vor allem - Männer gestehen ihre Missgeschicke im Bett. Und die sind mitunter sehr schmerzhaft.

Werner Bartens

Unfälle im heimischen Umfeld werden massiv unterschätzt. Jeder denkt dabei an ein Missgeschick im Haushalt, etwa den Sturz von der Leiter, den Griff in den Mixer, das Malheur mit der Steckdose. Die größte Gefahr aber lauert im Bett.

(Foto: Foto: iStockphotos)

Noch immer ist es allerdings ein Tabu, über entsprechende Unfälle zu sprechen. Nachdem sich die Berichte im Kollegen- und Bekanntenkreis jedoch neuerdings häufen, können die unheimlichen Unglücksfälle nicht länger verschwiegen werden. Womöglich sollte es bald Fachärzte für Liege- und Bettheilkunde geben, denn die Medizin steht der Bedrohung bisher unvorbereitet gegenüber.

Besonders tragisch erwischte es einen Kollegen. Er gibt vor, dass ihn nachts ein Krampf übermannt habe. Angeblich kein Schreibkrampf, sondern eine Kontraktion der Wade. Therapeutisch übereilt sei er aus dem Bett gesprungen, umgeknickt und gegen den Schrank gefallen. Obwohl seine Nase nicht besonders groß ist, habe sie zuerst Kontakt mit dem Möbel aufgenommen und sei stark angeschwollen.

Häufiger als früher schaut der Kollege jetzt auf meinem gelben Sofa vorbei. Er gibt dann vor, interessante Hintergrundpapiere dabeizuhaben. In Wirklichkeit will er gegen Ende des Gesprächs nur die Bestätigung, dass seine Nase noch genauso schön ist wie vorher. Ich vermute allerdings häusliche Gewalt.

Schmerzhafte Maulsperre

Die kam mir auch in den Sinn, als mir ein anderer Kollege seine Leidensgeschichte aus dem Bett erzählte. Er sei morgens aufgewacht, habe sich noch im Halbschlaf gestreckt und dann zum Fenster schräg hinter sich nach dem Wolkenstand geschaut. Nachdem er gegähnt hatte, konnte er plötzlich den Mund nicht mehr schließen.

Ansonsten ein Morgenmuffel, wurde er akut hellwach, als er sich seiner Maulsperre bewusst wurde. Panik kroch in ihm hoch. Dieser federnde Widerstand, der zunahm, wenn er die Lippen zusammenführen wollte, ließ ihn an Verzweiflungstaten denken. Irgendwo hatte er zuvor den Begriff Vernichtungsschmerz gelesen.

Er versuchte telefonisch seine Freundin zu überzeugen, ihn abzuholen. Die hielt ihn jedoch für einen obszönen Anrufer und legte auf, als er mit offenem Mund seine Not schilderte. Während er sich entstellt durch die Stadt schleppte, um persönlich bei ihr vorstellig zu werden, ahnte er, was sozialer Vernichtungsschmerz ist. Als er endlich bei seiner Liebsten war, fuhr sie mit ihm aber sofort in die nächste Zahnklinik.

Dort wollte der diensthabende Arzt zwar gern helfen. Vorher bat er allerdings um die Erlaubnis, ein Foto zu machen, um es den Studenten in der Vorlesung zu zeigen. Die stammelnde Entgegnung des sonst sprachlosen Kollegen konnte man nicht wirklich als eine formgerechte Zustimmung nach medizinischer Aufklärung bezeichnen.

Ein Bekannter riss sich ein Band im Knie, als er morgens aufstehen wollte. Es dauerte lange, bis es wieder geheilt war. Ein Anderer stieß beim nächtlichen Toilettengang so unglücklich an eine Fußleiste, dass er sich zwei Zehen brach und monatelang Spezialschuhe tragen musste.

Man überlegt sich natürlich, wieso solche Missgeschicke fast nur Männern passieren. Oder wie die Kollegin fragte: Was machen die im Bett für Sachen - selbst wenn die Prostata sie nicht raustreibt? Bei Unfällen im Haus sollte man besser von Unfällen im Bett sprechen. Die gefährlichen Bettgeschichten sind jedoch meist keine Malheurs à la Bohlen, dessen "kleiner Dieter" einst blau anlief. Das ist selten. Die alltägliche Not im Bett wird hingegen immer größer. Besonders gefährlich ist es offenbar, zu verkrampfen oder mit dem falschen Fuß aufzustehen.

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