Medizin und Wahnsinn, Folge 155:Beauty-Tipps von Keith

Weichgespülten Wellness-Gesichtern in der Werbung nimmt man nicht ab, dass sie überhaupt richtig gelebt haben. Die Körperlotion oder Keith Richards und das Mundwasser von Lemmy Kilmister wären dagegen ein Renner.

Werner Bartens

Wo soll man nur hingehen, bei all den prickelnden medizinischen Angeboten zum Jahresendspurt? Die Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie lockt. Besondere Spannung versprechen hier die angekündigten Themenfelder ,,Männer werden jünger'' und ,,Brustvergrößerung auf Platz1''. Verpasst wurde leider schon die Buchpräsentation ,,Heilende Frauen''. Die fand vor ein paar Tagen im Bayerischen Hof in München statt, und für die 17 Euro Eintritt wurde zwar nicht das Buch ausgehändigt, aber - mit freundlicher Unterstützung von Weleda - laut Ankündigung ein ,,Begrüßungs-Prosecco, Tee und Gebäck sowie ein kleines Geschenk'' gereicht.

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Keith Richards sollte Werbung für Pflegeserien und Aufbaupräparate machen. Weichgespülten Wellness-Gesichtern nimmt man nicht mehr ab, dass sie überhaupt mal richtig gelebt haben.

(Foto: dpa-tmn)

Männer werden jünger und heilende Frauen - das muss man zusammendenken und sich so ähnlich auch das langjährig erprobte Anti-Aging-Konzept von Keith Richards vorstellen. Dessen umfassender Gesundheitsratgeber ,,Life'' liegt hier auf dem Tisch. Der auf sympathische Weise jung gebliebene Musiker mit der amphibisch gefalteten Gesichtshaut verrät darin zwar nicht, welche Tagescreme er benutzt. Aber in seiner Autobiographie schildert er anschaulich diverse Selbstversuche mit diversen Frauen, Schusswaffen und Medikamenten, die aber so was von in den Hirnstoffwechsel eingreifen und offenbar ein langes erfülltes Leben ermöglichen.

Statt immer nur die greisen Herren Grass, Walser oder Handke für ihr Lebenswerk auszuzeichnen, sollten endlich verdiente Künstler wie Keith Richards, Iggy Pop, der Chef von Motörhead Lemmy Kilmister und natürlich Ober-Chef Helmut Schmidt prämiert werden. Für ihr Lebenswerk. Das heißt dafür, dass sie noch am Leben sind. Gerne auch mit diversen heilenden Frauen. Es ist ja eine absolut bemerkenswerte medizinische Leistung, dass diese Gentlemen trotz ihrer ausgeprägten Vorliebe für Suchtstoffe und anderes Verhalten, das die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gar nicht gut finden würde, so alt geworden sind.

Die Herren Richards, Pop, Kilmister und natürlich erst recht Schmidt wären die richtigen Models, um Werbekampagnen für Pflegeserien, Aufbaupräparate und gesunde Ernährung Ausdruck zu verleihen. Den weichgespülten Wellness-Gesichtern, die bisher dafür in die Kamera gegrinst haben, nimmt man nicht ab, dass sie überhaupt mal richtig gelebt haben. Die Körperlotion von Keith Richards und das Mundwasser von Lemmy Kilmister wären hingegen ein Renner.

Ein schwieriger Fall ist Heiner Lauterbach. Vor Jahren galt er als unstet, unberechenbar. Seit er nicht mehr das libidinöse, alkoholische und pharmakologische Fassungsvermögen seines Körpers auslotet, sondern Werbung für cholesterinsenkenden Trinkjoghurt macht, haben seine schauspielerischen Auftritte eine Note von Leinsamen. Heute wandert er, macht Radtouren, spielt Golf. ,,Dieses wilde Leben strengt an - auf Dauer hält das keiner durch'', verrät Lauterbach im Interview mit seinem Werbepartner Danone.

Männer, die immer jünger werden wollen, suchen die heilende Frau fürs Leben mal bei der Verkostung links drehender Milchsäure, mal auf abgedrehten Partys. Manche vertrauen dem Beistand der ästhetisch-plastischen Chirurgie. Die Lösung könnte ein unscheinbares Geschäft in der Innenstadt bieten. Es zeigt, sprachlich verkürzt, worum es eigentlich geht: ,,Änderungsschneiderei Damen und Herren'' steht über dem Laden. Welcher Prominente auch immer welches Rezept bevorzugt - wir wollen es gar nicht wissen. Oder wie Keith Richards es ausdrückt: Der perfekte Ton ist die Stille.

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