Die große Doppelausstellung mit Werken von Neo Rauch, die bis vor kurzem in München und Leipzig zu sehen war, trug den schönen Titel ,,Begleiter''. Das ist eine ebenso offene wie neutrale Beschreibung für die teils albtraumhaft deformierten Gestalten, die Rauchs Bilder bevölkern. Nicht immer ist ein Titel so treffend gewählt. Die Formulierungskünstler von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben gerade eine Broschüre unter dem irritierenden Namen ,,Beifahrer'' herausgegeben.
Die Broschüre "Beifahrer" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) will werdende Väter auf ihre neue Rolle vorbereiten - leider mit wenig Formulierungskunst.
(Foto: ddp)Bei dem Œuvre handelt es sich nicht etwa um Tipps für alkoholisierte Verkehrsteilnehmer oder um Schweigeempfehlungen für nörgelnde Nebensitzer. Vielmehr versteht sich ,,Beifahrer'' als ,,Kleiner Tourenplaner für werdende Väter'' - auf dem Cover sieht man einen lässigen Typen, die Hände am Lenker seiner Maschine verschränkt. Ein gewisser Sven erklärt seine Einstellung zur Geburt und hat damit wohl dem Heftchen zum Titel verholfen: ,,Und das ist ein Problem, das habe ich grundsätzlich mit allen möglichen Sachen, nicht nur Geburt, sondern alle anderen Sachen, wo ich nichts tun kann, wo ich nicht eingreifen kann. Ein simples Beispiel: Ich kann niemals Motorradfahren als Beifahrer.'' Wahrscheinlich muss er immer selbst den Zündschlüssel drehen.
Vielleicht hätte sich die BZgA die Konzeption und Auftragsvergabe genauer überlegen sollen. Vom ,,Windschattenfahren'' der Männer in der Schwangerschaft ist in der Broschüre die Rede - als ob die Frau mit sich nicht schon genug zu tun hätte. Die Geburtsbegleitung wird beschrieben als ,,Fußrasten abklappen und aufsteigen''. Die Rolle der Männer bei der Geburt sieht die BZgA als ,,schön mit in die Kurven legen''. Eine Frau wünscht sich während der Geburtsschmerzen wohl als Letztes, dass sich ihr Partner in ihre Rundungen schmiegt. Völlig kryptisch ist das Kapitel ,,Als Sozius zum Filius'' über das Geburtserleben von Vätern. Wahrscheinlich ist damit gemeint, dass viele Männer erst mal selbst eine kindliche Rolle annehmen, wenn sie Vater geworden sind.
Das Servicepaket Niederkunft
Motorrad-Typen? Das ist nicht nur wegen der schiefen Analogien an der Zielgruppe vorbei. Die meisten Männer werden zwischen 25 und 45 Jahren Vater. Motorradfahren ist hingegen eine Aktivität im Vorruhestand - nur Porschefahrer sind noch älter. Wenn es schon um verkehrstechnische Vergleiche gehen muss, sollten werdende Väter vielleicht behutsam über Cabrio, Zweisitzer, Kombi und Familienauto auf ihre Rolle vorbereitet werden.
Der Familienkonzern VW hat die neue Zielgruppe erkannt und seit Jahren auf sanftere Kommunikation umgestellt. Wo einst über einer grauen Stahltür ,,Werkstatt'' stand und dahinter ein grauer Mensch fragte, warum man ihn störe, herrscht heute die neue Offenheit. In VW-Werkstätten gibt es hinter viel Glas und Chrom an benutzerfreundlichen Service-Theken die ,,Dialogannahme''. Die Ausstattung mit Raumteilern und Schiebefenstern scheint modernen Kreißsälen nachempfunden zu sein.
Die BZgA-Broschüre ,,Beifahrer'' erklärt, dass zum Servicepaket Niederkunft auch der ordnungsgemäße Transport gehört: ,,Für all diejenigen, die keine Hausgeburt planen, fängt die Geburt bekanntlich mit der Fahrt in die Klinik oder ins Geburtshaus an. Das Auto steht vollgetankt vor der Haustüre und aus Männersicht ist es oft ,Ehrensache', diese Fahrt zu übernehmen.'' Man kann sich gut vorstellen, wie ein Golf-Fahrer seine Partnerin zur Geburt begleitet. Spätestens wenn die Wehen einsetzen, schaut die künftige Sharan-Mutti ihren Beifahrer flehend an. Er sucht dringend die Dialogannahme, um die Hebamme zu rufen.