In München steht nicht nur ein Hofbräuhaus. Es gibt dort auch Serviceeinrichtungen für andere menschliche Notlagen. Am Hauptbahnhof befindet sich beispielsweise schräg gegenüber der neongrellen Notdurftzentrale von McClean ein roter Automat in Hüfthöhe. Vom Format her erinnert der Blechkasten an einen Zigaretten- oder Fahrkartenautomaten.
Der Med-O-Mat bietet dem Reisenden eine bunte Palette an wichtigen Erste-Hilfe-Utensilien - wie Kondome, Krebsvorsoge- und Grippetests.
(Foto: Foto: ddp)Es geht hier aber nicht um letzte Züge, sondern um Erste Hilfe. Zumindest steht das groß darauf. Ein weißes und ein grünes Kreuz, die Aufschrift "24 h", sowie das Foto einer jungen Dame im weißen Kittel lassen eine Produktpalette aus der Wunderwelt der Heil-, Hilfs- und Pflegeberufe erahnen.
Der Erste-Hilfe-Kasten trägt den schönen Namen Med-O-Mat. Eine treffende Bezeichnung, auch wenn ein Arzt-O-Mat unseres Vertrauens vor dem unsachgemäßen Gebrauch von Medizinprodukten ohne ärztliche Beratung gewarnt hat. Man kann ja so viel falsch machen, Risiken und Nebenwirkungen nicht zu vergessen. Andererseits ist es mündigen Patienten zuzumuten, Pflaster, Verband und "Taschentuch (Papier)" ohne medizinischen Beistand unfallfrei zu benutzen.
Dass Kondome, Tampons und Mundspray das Angebot erweitern, sollte man den Betreibern des Med-O-Mat nicht übelnehmen, auch wenn es sich bei Menschen, die eine Packung ziehen, wohl nicht um Mitbürger in medizinischen Notlagen handelt. Beziehungs-O-Mat oder Intim-O-Mat würde sich allerdings noch blöder anhören als Med-O-Mat. Das Themenfeld Intim-O-Mat wurde übrigens konsequent weitergedacht, denn der Erste-Hilfe-Kasten versucht offenbar über die Verwundeten, Versehrten und Notgeilen hinaus neue Märkte zu erschließen und bietet daher auch einen Schwangerschaftstest an.
Ob man den diagnostischen Verfahren trauen kann, ist allerdings fraglich. Der Schwangerschaftstest wird als "Schwanger-Test" (1 Stück) beworben, schräg daneben gibt es eine "Rettung-Decke" (1 Stück). Wer so schlampig mit der Orthographie umgeht, lässt es vielleicht auch an der nötigen Sorgfalt in Herstellung und Laboranalytik fehlen. Oder er hat den tamilischen Gastarzt am falschen Fleck eingesetzt.
Ins Grübeln kann auch kommen, wer die weiteren Angebote im Med-O-Mat in Erwägung zieht. Dort sind auch "Prostata" und "Darm" als Notfallset zu erwerben. Erst im Kleingedruckten ist zu erfahren, dass es sich dabei um Krebsvorsorgetests handelt. Klar, jeder kennt das: Man kommt mit dem ICE in München an, will umsteigen nach Garmisch und plötzlich ereilt einen dieser akute Notfall - man muss auf der Stelle erfahren, ob sich die Zellen in Enddarm oder Vorsteherdrüse gerade dazu verabredet haben zu entarten.
Nun muss man wissen, dass der Prostatakrebs in den meisten Fällen die Schnecke unter den Tumoren ist. Dieser Krebs wächst dermaßen langsam, dass die Bahn gar nicht so viel Verspätung haben kann, bis die Männer etwas davon bemerken - die Mehrzahl stirbt mit und nicht an dem Tumor. Wer gegenüber vom Bahnhofsklo einen Krebstest im Notfallkasten erwirbt, sollte vermutlich erst mal andere zentrale Organfunktionen überprüfen lassen.
Rätselhaft ist auch der "Grippe-Test (1 Stück)", den der Med-O-Mat im Repertoire hat. Muss man dazu den Kasten anhusten? Wird gleichzeitig auf Vogelgrippe, Schweinegrippe und saisonale Grippe getestet? Und was ist, wenn der Erreger mutiert und plötzlich die Giraffengrippe um den Globus zieht - gilt der Test auch dafür? Völlig unverständlich ist allerdings das Angebot, das sich hinter Taste 15 im Med-O-Mat verbirgt. Hier gibt es einen "Harnwege-Test".
Wer also schon immer mal wissen wollte, ob er über Harnwege verfügt, kann vor dem Bahnhofsklo zwanglos mehr über seinen Körper erfahren. Spätestens damit wäre es an der Zeit, einen Kneifmich-O-Mat an zentraler Stelle aufzustellen.
