Medizin und Wahnsinn (70):Schläfst du schon, Schatz?

Einschlafstörung oder Durschlafprobleme - in der Regel stören sich Partner in der Nacht gegenseitig und bringen sich um wichtige Ruhephasen.

Werner Bartens

Er schläft, sie wacht. Klassische Rollenverteilung: Sie grübelt und möchte reden, er schnarcht und will seine Ruhe. Wenn sein Schnarchen aus dem Rhythmus gerät, hofft sie, dass er wach wird, stupst ihn vielleicht sogar etwas an.

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Einschlaf- oder Durchschlafstörungen? In der Regel handelt es sich meist um partnerschaftliche Störaktionen

(Foto: Foto: iStockphotos)

Doch er schnarcht meistens weiter - tiefe Seufzer auf beiden Seiten des Bettes. Am nächsten Abend schläft sie, er wacht. Klassische Rollenverteilung: Er ist anhänglich und will kuscheln, sie ihre Ruhe. Mann und Frau können sich offenbar kaum in Ruhe schlafen lassen. In jüngster Zeit häufen sich jedenfalls auf meinem gelben Sofa die Beschwerden über massive Schlafstörungen.

Die Lehrbuchfrage - Einschlaf- oder Durchschlafstörungen? - führt in der Regel nicht weiter, denn es handelt sich meist um partnerschaftliche Störaktionen, die je nach Laune das Einschlafen, das Durchschlafen wie auch das Weiterschlafen nach dem Aufwachen behindern.

Gute Argumente haben beide Seiten: Sie bedrängen Probleme, die auf keinen Fall Aufschub bis zum nächsten Morgen dulden. Er folgt lediglich seinem evolutionär vorgegebenen Muster, sie des Nachts vor wilden Tieren zu beschützen und zudem den Fortbestand der Art sichern zu wollen.

Fortgeschrittene Schlaf-Querulanten wählen eine subtile Form des Weckrufs. Sie rütteln aufgeregt den Partner wach, weil sie plötzlich hören, wie sich die eigenen Augen bewegen. Oder weil ihr Herzschlag zu laut ist.

Bevor der Partner den Arzt holt oder gleich die Truppe mit der Zwangsjacke, sollte man allerdings vorsichtig Entwarnung geben und das Wort "Bogengangsdehiszenz" einstreuen - eine äußerst seltene Störung im Innenohr.

Im Englischen klingt die Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen des eigenen Körpers - Superior canal dehiscence syndrome - noch beeindruckender.

Lösungen sind schwierig. Getrennte Betten wirken so endgültig und schmecken nach Niederlage. Deshalb rauben sich viele Paare weiterhin gegenseitig die Nachtruhe und riskieren gesundheitliche Spätfolgen durch chronischen Schlafmangel. Wer übermüdet ist, ist schließlich anfälliger für Erkältungen und andere Infektionen. Wer zu wenig schläft, wird außerdem schneller dick und bringt die Hormone sowie jede Alltagstauglichkeit durcheinander.

Auf der nächsten: Warum auch im Krankenhaus nicht an Schlaf zu denken ist

Schläfst du schon, Schatz?

Stellungskrieg am Krankenlager

An Orten, an denen man angeblich gesund werden soll, ist es nicht besser. Im Krankenhaus ist regelrecht ein Wettstreit darum entbrannt, wer wen weniger schlafen lässt - die Patienten die Ärzte und Pflegekräfte oder umgekehrt. Patienten klingeln bevorzugt nachts um zwei Uhr nach der Schwester und verlangen ein Getränk, eine weichere Unterlage oder menschliche Zuwendung.

Die medizinischen Heil-, Hilfs- und Pflegekräfte rächen sich, indem sie Patienten mitten in der Nacht wecken, um sie daran zu erinnern, ihre Schlaftabletten zu nehmen. Morgens werden die Kranken und Lahmen dann gegen sechs Uhr aus den Betten gescheucht und müssen ansehen, wie ihr wohlig warmes Nest frisch bezogen wird, sodass jedem die Lust vergeht, sich in das kalte Bett zu kuscheln, um weiterzudösen.

Man kann das Arzt/Schwester-Patientenverhältnis durchaus unter paartherapeutischen Gesichtspunkten betrachten. Keiner gönnt dem anderen eine Verschnaufpause, und der Stellungskrieg findet im Bett oder am Krankenlager statt. Besonders gewiefte Mitschläfer haben sogar schon versucht, die Schlaf-Wach-Abfolge ihrer Partner zu manipulieren.

Vor Jahren wurde im Fachmagazin Science berichtet, dass der Lichteinfall auf die Kniekehle den zirkadianen Rhythmus verschiebt und Menschen später müde werden lässt. Der ein oder andere hat seitdem mit der Taschenlampe unter der Bettdecke experimentiert.

Die Versuche waren allerdings ein vergebliches Leuchtfeuer. Ein paar Jahre später wurde aufgedeckt, dass die Kniekehlen-Studie falsch oder ein Scherzartikel war.

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