Medizin in Deutschland:Fast 3900 Behandlungsfehler bundesweit

Im letzten Jahr wurden 3897 Patienten in Deutschland von ihren Ärzten erwiesenermaßen falsch behandelt. Angesichts der rund 400 Millionen Arzt-Patienten-Kontakte nicht viel, sagt die Bundesärztekammer.

Viele Menschen fühlen sich von Ärzten falsch behandelt - aber allein im letzten Jahr war dies für immerhin 3897 Patienten erwiesenermaßen tatsächlich der Fall.

Wie die Bundesärztekammer am Mittwoch in Berlin mitteilte, beschwerten sich Patienten mehr als zehntausend Mal bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen. Von den Beschwerden betrafen die Hälfte Operationen und Nachsorge sowie Diagnosen.

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, Christoph Fuchs, sprach sich für einen offenen Umgang mit Fehlern aus. Die Bundesärztekammer legte für 2006 erstmals bundesweit einheitlich erfasste Daten vor, mit Ausnahme von Bayern.

Der Freistaat ist in den meisten Zahlen nicht enthalten, da man dort noch ein anderes System zur Fehlererfassung einsetzt, dass nicht mit der bundesweiten Lösung kompatibel ist.

Zahl der Behandlungsfehler gering

Mit den Daten über vermutete und nachgewiesene Behandlungsfehler wolle man einen Beitrag leisten zur Patientensicherheit und Fehlerprophylaxe, sagte der Vizepräsident der Bundesärztekammer Andreas Crusius.

Er wies darauf hin, dass ein Patient seit 1975 bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern kostenfrei überprüfen lassen kann, ob sein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt ist.

Laut Statistischem Bundesamt kam es im Jahr 2005 zu rund 36,1 Millionen Operationen und medizinischen Prozeduren in Krankenhäusern. Pro Jahr gebe es rund 400 Millionen Arzt-Patienten-Kontakte, sagte Fuchs. Daran gemessen hält die Bundesärztekammer die Zahl der Behandlungsfehler für gering.

Laut ihrer Statistik (inklusive Bayern) wurden im vergangenen Jahr 10.280 Anträge auf Überprüfung von Behandlungen gestellt. Von den insgesamt rund 12.000 Einzelvorwürfen belegten beanstandete Operationen mit rund 3000 die erste Stelle, gefolgt von postoperativen Therapien und Diagnostik mit jeweils rund 850 Vorwürfen.

Behandlungsfehler registrierten die Kommissionen in 1913 Fällen, Behandlungsfehler und mangelhafte Risikoaufklärung ohne Schaden für den Patienten in 422 Fällen sowie Behandlungsfehler und Aufklärungsmängel mit Schaden in 1562 Fällen.

In 4747 Fällen stellten die Kommissionen keinen Behandlungsfehler fest; in 52 Fällen wurde nur die Risikoaufklärung des Patienten bemängelt.

Meiste Beschwerden gegen Chirurgen

Die häufigsten Diagnosen, die zu Beschwerden führten, waren Hüft- und Kniegelenkarthrose, Brüche, Brustkrebs und Bandscheibenschäden.

Dabei wurde nach Auskunft des Geschäftsführers der Schlichtungsstellen für Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern, Johannes Neu, bemängelt, dass Diagnosen, Überweisungen und Operationen zu spät erfolgten oder dass Nachoperationen erforderlich wurden.

Dementsprechend richteten sich die meisten Beschwerden gegen die Unfallchirurgie und die Allgemeinchirurgie. Die tatsächlich am häufigsten fehlbehandelten Krankheiten sind laut Statistik Brustkrebs in Praxen mit 48 Fällen und Hüftgelenksarthrose in Kliniken mit 57 Fällen.

Fuchs warb um Verständnis, dass "überall dort, wo Menschen arbeiten, auch Fehler geschehen". Oft seien Organisations- und Kommunikationsmängel Hauptursache für Fehler. Sie dürften nicht als individuelles Verschulden eines Arztes angesehen werden. Er sprach sich für Fehlermeldesysteme aus, auch wenn sie das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient trüben könnten.

Auch würden manche Nebenwirkungen von neuen Medikamenten erst Jahre nach ihrer Zulassung entdeckt. Probleme entstehen nach seinen Angaben auch durch die Mehrfacherkrankungen hochbetagter Menschen, die anfälliger für Risiken und Nebenwirkungen medizinischer Behandlungen sind.

Um ein Umdenken in der Fehlerkultur zu erreichen, sei beispielsweise die Internetplattform jeder-fehler-zaehlt.de eingerichtet worden, auf der auch über Beinahe-Fehler berichtet werden solle, damit aus den negativen Erfahrungen gelernt werden könne.

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