Kalter Wind pfeift durch das Elsass, der Regen durchnässt selbst teure Funktionstextilien, von Hochsommer keine Spur. Kein Wetter für eine sportliche Runde? - Uwe Krohne, 44, lächelt. Denn der Entwicklungsleiter aus Niedersachsen hat schon andere Prüfungen bestanden, extreme Rennen über 1200 Kilometer. "Mindestens alle zwei Stunden haut dir das Schicksal dabei in die Fresse", sagt er, "aber man lernt, damit umzugehen, und danach ist es umso schöner."
Dann, nach ein paar langen nassen Minuten, bricht die Sonne durch die Wolken und Krohne setzt an, in einer Gruppe von 30 Managern und Geschäftsleuten den windigen Kamm des 830 Meter hohen Col de Freland zu erklimmen und dabei Kontakte zu knüpfen - neudeutsch: zu networken. Der Karriere-Radsportverein Club Tête de la Course (TdC) ist zu seinem Saisonhöhepunkt in den Osten Frankreichs gefahren. Mitglieder aus ganz Deutschland suchen an vier Tagen ein Maximum an Höhenmetern, auf ihren blau-weißen Trikots prangt "Leadership in Management and Sports".
Der TdC, eine Idee von Hamburger Geschäftsleuten, will Kondition und Karriere kombinieren; mittlerweile hat der Verein 100 Mitglieder. "Es geht ums Kennenlernen von Menschen, die eine sportliche Passion teilen, die einander aber auch beruflich inspirieren", erklärt der Vereinsvorsitzende Peter Poppe. Dahinter steckt die Überzeugung, dass Konditionssport auf der beruflichen Laufbahn hilft - und dass agile Manager eben oft aufs Rennrad setzen, und nicht etwa auf Golf.
Kein falscher Ehrgeiz auf dem Rad
Vom Quartier im Dörfchen Orbey brach die Gruppe an vier Tagen zu Rundfahrten auf, ganz dicht am Geschehen der Tour de France, die an diesem Wochenende durch die Region hetzte. "Es hatte mich fasziniert, einmal bei der Tour dabei zu sein", sagt Josef Dannbeck, 49, Qualitätsmanager bei Renault Deutschland. Vor dem anspruchsvollen sportlichen Programm hatte er vorab zwar reichlich Respekt, doch "ich kann es auch über steile Berge schaffen".
Um sich aus der Nähe einen Eindruck vom wichtigsten Radrennen der Welt zu verschaffen, von der Logistik und davon, wie die Profis einen langen, schweren Anstieg angehen, radelte die Gruppe zum Fuß des Col du Platzerwasel.
Diesmal leitet Mario Kummer, Weltmeister und Olympiasieger, die Gruppe auf verschlungenen Pfaden zur abgesperrten Strecke. Der rutschige Weg führte über den 1163 Meter hohen Petit Ballon, einen happigen Berganstieg. Im Nieselregen kämpften sich Leiter von Firmen, Personalchefs, Produktmanager und auch der Geschäftsführer des FC St. Pauli in bunten Überzieh-Jacken zum Gipfel.
Die meisten TdC-Mitglieder haben gute Beine, doch auch trainierte Macher reißt es am Berg auseinander. Es gehört dazu, die eigenen Grenzen zu erkennen, die eigene Leidensfähigkeit auszuweiten. Ex-Profi Kummer weiß, dass gerade im Beruf ehrgeizige Leute beim Hobbysport oft übertreiben: "Es gibt kein zu langsam, nur zu schnell."
Der TdC organisiert mehrere Trainingslager im Jahr - Networking gehört ausdrücklich dazu. Denn bei zügiger Fahrt in enger Zweier-Reihe tauschen die Teilnehmer nicht nur Tipps zu neuesten Hochprofilfelgen aus. "Oft geht es um die aktuelle Krise und die Erfahrungen anderer Branchen", weiß Bernd-Georg Spies, Headhunter bei Russell Reynolds und Mitbegründer des TdC.
Auch Workshops gehören zum Programm. Diesmal erklärte Mario Kummer, wie wichtig es ist, dass der sportliche Leiter eines Rennradteams "die Köpfe der Fahrer erreicht", um ans Ziel zu kommen. Und am Abend lauschte die Runde bei Elsässer Grauburgunder Erwin Staudt - der Präsident des VfB Stuttgart sprach über die Rolle der Marke im Sport.
Aber eines bleibe besonders hängen, sagt Ulrich Schuhmann, Personalberater und Organisator der Reise: "Hier bewegen sich 30 Alphatiere auf engstem Raum ohne jeden Ärger."
Weitere Infos: www.club-tdc.de