Süddeutsche Zeitung

Maine:Bärenjagd in den USA: Allein mit dem schwarzen Geist

Genau wie die Homo-Ehe trennt auch die Jagd die USA in zwei Lager. Einerseits diejenigen, die sich als Hüter einer Tradition sehen, anderseits Umweltschützer, die glauben, dass nicht alles richtig ist, bloß weil es seit 200 Jahren so gemacht wird.

Von Sacha Batthyany und Nicolas Richter

Den ganzen Tag schon hat der Hobbyjäger Ken Copella auf seinem Hochsitz mitten im dichten Wald verbracht. Außer ein paar Eichhörnchen hat er nichts gesehen, als sich zwischen den Tannenbäumen kurz vor Sonnenuntergang plötzlich etwas bewegt. Ein Schwarzbär, ursus armericanus, den sie hier auch den "Schwarzen Geist" nennen. Der Bär folgt dem süßlichen Duft von Donuts und Cupcakes, die die Jäger in einen blauen Eimer stopfen, um die Tiere anzulocken.

Copella, ein drahtiger Mann, drückt ab. Sein Projektil, .270 Winchester, fliegt mit einer Geschwindigkeit von 900 Metern pro Sekunde auf den ahnungslosen Bären zu, trifft ihn vermutlich in die Schulter, fräst sich durch Fell und Fett, zerfetzt Teile der Lunge und tritt auf der anderen Seite wieder aus.

Jedes Jahr im Herbst treffen sich Jagdtouristen aus aller Welt in den Wäldern um den Foggy Mountain, den nebelverhangenen Berg im US-Bundesstaat Maine. Meist sind es Männer, oft in Begleitung ihrer besten Freunde oder Söhne. Sie wollen etwas erleben, das sie zusammenschweißt. Etwas, von dem sie noch nach Jahren sprechen werden. "Wir tun nur, was schon unsere Vorfahren taten. Was ist schlimm dabei?", sagen die Jäger am Abend in der Runde. Sie trinken Bier und spucken sich den Saft des Kautabaks, der von Weitem aussieht wie Blut, vor ihre Füße.

Der Mythos Amerika beginnt mit den Trappern, den Jägern und den Fallenstellern. Auf der Jagd nach Fellen wagten sie sich ab dem 18. Jahrhundert als erste Weiße in die Rocky Mountains. Zuletzt erinnerte daran der Film "The Revenant" mit Leonardo DiCaprio. Darin trotzt ein Pelzjäger, gewappnet allein mit seiner Willenskraft, einer gnadenlosen Natur. Von einer Bärin angegriffen und lebensgefährlich verletzt, schleppt er sich durch die eisige Kälte und überlebt nur, indem er sich während eines Schneesturms in den Bauch eines ausgeweideten Pferdes verkriecht.

Längst haben die Amerikaner ihren widerspenstigen Kontinent unterworfen, seine spektakulären Landschaften gerastert, unterteilt in Highways, Felder, Staatswälder, Nationalparks. Aber bis heute empfinden viele Bewohner des Landes es als uramerikanisch, sich an der Natur zu messen. Moderne Jäger wie Ken Copella sehen sich nicht nur als Hüter einer Tradition, die so alt ist wie die USA. Sie sehen sich als Hüter des Landes selbst, seiner Natur, seiner Kultur.

Andere wiederum empfinden es als Tierquälerei. Und so ist ein Kulturkampf in Gang, wie man ihn auch um Waffen, Abtreibung oder die Homo-Ehe erlebt. Die Jagd trennt Amerika in zwei Lager. Einerseits die Traditionalisten, die sich auf die Ursprünge berufen. Andererseits die Umweltschützer, die Empathie mit den Bären, Biebern und Kojoten fordern und glauben, dass nicht alles richtig ist, bloß weil es seit 200 Jahren so gemacht wird.

Der Jäger Ken Copella steigt von seinem Hochsitz herab und sucht nach dem Bären, den er soeben geschossen hat. Aber der Bär ist erst einmal weg, und Copella stellt fest, dass er sich, allein im dunklen Wald, verlaufen hat.

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