Männerkolumne:Nihad

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In dieser Woche geht unsere Kolumnistin zu einem Basketball-Spiel. Sie versucht, das Spiel zu verstehen - doch sie wird abgelenkt, von Nihad.

Von Johanna Adorján

Ich war zum ersten Mal beim Basketball. Eine Bekannte hatte Karten für Alba Berlin. Mehr wusste ich nicht. Ich bin auch noch nie in der Mercedes-Benz-Arena gewesen, weshalb ich auch nicht gleich den Eingang fand. Ehrlich gesagt hatte ich überhaupt nicht gewusst, wo die liegt, weshalb ich viel zu spät den Eingang nicht fand. Irgendwann war ich drin. Innen alles gelb und ernst. Die Halle komplett voll mit Erwachsenen in gelben T-Shirts, die gerade stumm nach vorne sahen. Ich quetschte mich an Beinen vorbei, begrüßte leise meine Bekannte, setzte mich, wunderte mich, zog vom Sitz, worauf ich mich gesetzt hatte, ein gelbes T-Shirt und ein Heft aus fast plastikhaft festem Papier. Die nächste Viertelstunde ging damit drauf, dass ich versuchte, es den Umsitzenden gleichzutun und mir ebenfalls aus dem Heft einen Fächer zu falten, mit dem ich dann ebenfalls hätte laute Geräusche machen können, indem ich ihn auf meine Hand niederprasseln ließ. So machten es alle, ein schönes, ein lautes Geräusch, allein, ich bekam das Material nicht zum Fächer gefaltet.

Egal, es gab ja so viel anderes zu tun, zu sehen, zu verstehen. Jetzt mal nach vorne geguckt, aufs Spielfeld. Aber da passierte gerade nichts. Da standen gerade alle herum. Ein paar unterhielten sich. Dann passierte doch was, aber es ging so wahnsinnig schnell, dass ich müde wurde beim Zusehen, genau dieselbe Müdigkeit, die einen befällt, wenn man in, sagen wir, Rom zum Essen eingeladen ist und bei Tisch alle Italienisch sprechen, vorausgesetzt man spricht kein Italienisch. Laute Musik riss mich aus meinen Gedanken. War es Drake, war es Justin Timberlake oder Beyoncé, jedenfalls war ich auf einmal hellwach und bereit, mich zu konzentrieren.

Gegen wen spielte Alba eigentlich? Ich fragte nach. Ich hatte gar nicht gewusst, dass der FC Bayern auch eine Basketballmannschaft hat. Also Alba waren die Gelben? Meine Bekannte antwortete nicht. Auf mich alleine gestellt, versuchte ich, mir einen Reim auf alles zu machen. Viele Reime vielmehr. Auf Anzeigetafeln wurden Zahlen niedriger. Schon hatte ich es: Das waren heruntergezählte Sekunden. Andere Zahlen mochten Punkte für Korbwürfe zu sein. Es herrschte abwechselnd Hektik und dann wieder Ruhe. Diese ewigen Unterbrechungen fingen an, mir auf die Nerven zu gehen, nie lief das Spiel, aber es schien sich sonst niemand daran zu stören. Ein paar Mal wurde das Saallicht dunkler und Mädchen in Hotpants machten sexy Dance unter einem großen Mercedesstern, kurz war es dann fast wie damals, vor #metoo. Ein riesiger gelber Ballon schwebte durch die Halle, lenkte mich ab. Und schon rannten die Männer auf dem Spielfeld wieder nach links. Pause. Nach rechts. Pause.

Einer gefiel mir am besten. Sein Name auf dem Trikot ließ sich schwer lesen, weil er ständig in Bewegung war: Nihad Djedović. Er war sehr groß, größer als die meisten anderen großen Spieler, sah aber nicht groß aus, weil er so wendig und irgendwie in seinem Körper zu Hause war. Sein Bärtchen hatte was vom tapferen Schneiderlein. Ich sah nur noch ihm zu, aber wo er war, war ohnehin meistens der Ball. Als die Bayern gewannen, freute ich mich, das gelbe Alba-Shirt auf den Knien, heimlich mit ihm. Ich glaube nicht, dass mich meine Bekannte noch einmal zum Basketball mitnimmt.

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