Männer:Stevie

Unsere Kolumnistin stellt fest, dass die Männer in Bayern anders sind als im Rest von Deutschland, irgendwie mehr eins mit der Natur. Und nicht so obrigkeitshörig wie die Preußen. Das lässt sich zum Beispiel an roten Ampeln beobachten.

Von Johanna Adorján

Vielleicht hat es etwas mit den Bergen zu tun. Oder mal wirklich mit der Nähe zu Italien. Jedenfalls gibt es in Bayern Männer, die ganz anders sind als im Rest von Deutschland, die irgendwie wirken, als wären sie eins mit der Natur. Als könnten sie besser im Wald übernachten, einfach so, ohne Zelt, als in einem Ibis Hotel an irgendeinem Bahnhof. Als seien sie eher mit Bäumen artverwandt als mit, sagen wir, Preußen, die ja gut in Hierarchien funktionieren und stundenlang geduldig an einer defekten Fußgängerampel anstehen, wenn diese Rot zeigt, denn Rot heißt Stehen, Befehl ist Befehl, und wenn kein Grün kommt, darf man halt niemals gehen. Sieht man sehr oft in Berlin. (Ich muss beim Anblick dieser stoisch bei Rot Stillstehenden, den man ja aus keinem anderen Land der Welt kennt, immer denken, wie deprimierend ich es finde, dass so viele Deutsche jeden Befehl ausführen, und bin schon über Gott weiß wie viele rote Ampeln gegangen mit der innerlichen Einstellung, es verdammt noch mal gegen Nazis zu tun.)

Dass es schlimme bayerische Männer gibt, ist bekannt. Aber eben auch besonders tolle

Der Bayer, den ich meine, der würde an einer defekten Ampel vielleicht stehen bleiben, wenn irgendwo ein Kind wäre oder er eh Zeit hätte. Eher aber wäre er um diese Uhrzeit noch im Bett, weil er eher wach ist, wenn die Welt schläft und er endlich in aller Ruhe seinen Kram machen kann. Oder er wäre in aller Herrgottsfrüh schon draußen gewesen, vielleicht laufend, ohne es gleich Joggen oder Marathon zu nennen, und jetzt wäre er wieder zu Hause und schriebe ein Buch. Ganz wilde Gedichte vielleicht, oder keine Ahnung, denn ich habe diese Art Männer nie näher gekannt, leider, denn ich finde sie toll. Auch wenn sie mich ein wenig eingeschüchtert haben in ihrer Unbestechlichkeit und Unabhängigkeit, zu der, würde ich denken, eine Frau gehört, die ganz genauso frei und unerschrocken ist, wozu man wohl felsenfest wissen muss, wo die eigenen Wurzeln sind.

In Berlin kenne ich solche Männer nicht. Aber früher in München kannte ich zum Beispiel mal einen, der hieß Stevie. Das war so ein Großstadtindianer, bei dem sich niemand groß gewundert hätte, wenn er mit Pfeil und Bogen abends in die kleine Bar in der Müllerstraße gekommen wäre, in der ich am Süßigkeitenkiosk jobbte, oder mit einem frisch abgezogenen Tierfell über der Schulter. Der Stevie, das war einer, der ohne viel Worte auskam. Der kam, vielleicht einfach nur, weil es noch nicht seine Schlafenszeit war, er war freundlich und wollte nichts, und zwar von niemandem. Er war damit tausendmal angenehmer als die meisten anderen Männer, die damals in dieser Bar ewig bei mir am Kiosk rumstanden, auf den Spiegel deuteten, den ich las, gut sichtbar mit dem Cover nach vorne, und fragten, was ich da lese.

Ich weiß nicht mal, was dieser Stevie für einen Beruf hatte. Ich weiß nur, dass er die Berge mochte, dass er leicht Bairisch sprach, dieses Münchnerisch-Bairisch, so wie der Monaco Franze, und dass wir mal über den Sternenhimmel redeten, was viel peinlicher klingt, als es war. Ich weiß auch nicht, wie er mit Nachnamen hieß und ob sein richtiger Vorname am Ende Stefan war, was überhaupt nicht zu ihm gepasst hätte. Falls er dies liest und sich erkennt: einen ganz lieben Gruß - hoffentlich irgendwo hin, wo es viel weniger Fußgängerampeln gibt als Bäume.

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