Männer:Oliver

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(Foto: N/A)

Gegen Antisemitismus sein: Damit rennt man entweder offene Türen ein oder wird selbst dann nicht gehört, wenn man beharrlich mahnt. Doch dem Komiker Oliver Polak gelingt mit seinem neuen Buch ein Kunststück, sagt unsere Kolumnistin Johanna Adorján.

Von Johanna Adorján

Wie jeder weiß, der den Zentralrat der Juden in Deutschland noch nie beneidet hat: Es ist verdammt schwer, sich öffentlich gegen Judenhass auszusprechen, ohne zu nerven. Ausgerechnet einem Stand-up-Comedian gelingt dies nun, wobei dazugesagt sei, dass Oliver Polak auch schon mehrere Bücher veröffentlicht hat. Sein neues heißt programmatisch "Gegen Judenhass". Es ist bei Suhrkamp erschienen und sieht nebenbei bemerkt wunderschön aus, orange und nur mit Schrift drauf, so wie Bücher früher aussehen durften, als man noch gerne welche kaufte. Es ist nicht dick, nicht teuer (8 Euro) und eine Art Wunder: Denn es klingt kein bisschen, wie man es bei dem Thema erwarten würde. Gegen Antisemitismus sein: Damit rennt man ja entweder offene Türen ein oder wird selbst dann nicht gehört, wenn man beharrlich mahnt, anprangert oder klagt. Polak hingegen beschreibt einfach, nüchtern, verständlich, normal. Er klingt noch nicht einmal wütend, was einen beim Lesen allerdings nicht davon abhält, es stellvertretend für den Autor zu sein.

Dieser Text will hemmungslos werben für das Buch eines Komikers, das nicht lustig ist

Oliver Polak wurde vor 42 Jahren in Papenburg, Niedersachsen, geboren. Sein Vater war der einzige Jude aus Papenburg, der den Holocaust überlebte und nach dem Krieg wieder in seine Heimatstadt zurückkehrte. Während er als Junge im Wohnzimmer mit Playmobil spielte, sagt Polak am Telefon, habe er, wenn seine Eltern Besuch hatten, die Gespräche der Erwachsenen belauscht. Da ging es um Auschwitz, darum, wer umgekommen sei, wer lebe. Einige Freunde seiner Eltern hatten Nummern auf dem Arm.

Dass der Holocaust seine Identität prägte, hat sich Oliver Polak genauso wenig ausgesucht, wie Jude zu sein. Oder Deutscher. Er ist es halt. Im Buch erzählt er von Mitschülern, die ihn anspuckten, vom ewigen Vorurteil, nicht nur unter Taxifahrern weit verbreitet, als Jude müsse man reich und geschäftstüchtig sein. Von Männern in Medienberufen, die keinen Unterschied darin sehen, ob ein Jude Witze über Juden macht oder ob sie das tun, die Nachkommen der Täter. Wie der Chef eines Veranstaltungsorts, der vor dessen Auftritt zu Polak sagt: "Wenn du heute wieder nicht lustig bist, landest du im Aschenbecher." Nur eines von sehr vielen Beispielen.

Polak erklärt, ohne didaktisch zu sein, stellt dem Leser Fragen, klärt Missverständnisse auf. Manche sind gut gemeint, allerhöchste Zeit, sie auszuräumen. Wie damals, die Episode findet sich nicht im Buch, als man in Papenburg eine Gedenkfeier für Polaks Vater ausrichtete, der vor drei Jahren starb, und Klezmer-Musiker engagierte. Dabei hasste Polaks Vater Klezmer. Wie viele andere Juden auch.

Oliver Polak hat sein Jüdischsein oft zum Thema seiner Stand-up-Programme gemacht, die autobiografisch sind. Doch die Zeiten sind zu ernst, als dass ihnen mit Komik allein beizukommen wäre. Das Buch, das sich ganz allgemein gegen Rassismus und Ausgrenzung wendet und wirklich im Schulunterricht gelesen werden sollte, ist der 85-jährigen französischen Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll gewidmet, die im März Opfer eines antisemitisch motivierten Verbrechens wurde. "Nach einer Messerattacke mit elf Stichen wurde sie bei lebendigem Leibe in ihrer eigenen Wohnung angezündet." So endet es. Keine Pointe, kein Lachen, keine Erleichterung.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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