Männer-Kolumne:Martin

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"Ich hab dich jetzt ein bisschen beobachtet und ich finde, du siehst irgendwie traurig aus, musste mir auch nicht erzählen": Auf manchen Partys hat man Glück und trifft auf lustige Leute. Auf manchen Partys hat man allerdings weniger Glück.

Von Johanna Adorján

Party. Interessant aussehender Typ guckt einen an, als kenne man sich. Man also irgendwann hin. "Kennen wir uns?" "Hi, ich bin Martin. Ich hab dich jetzt ein bisschen beobachtet und ich finde, du siehst irgendwie traurig aus, ich glaub nicht, dass das andere sehen, du bist natürlich 'ne wunderschöne Frau, muss ich dir ja nicht sagen, oder, ganz tolle Aura, ganz besondere Aura, aber wie ich dich da so gesehen hab, wie du da standest gerade, hatte das auf mich den Eindruck gemacht, dass dir was auf der Seele liegt. Musste mir auch nicht erzählen, ich hab's nur bemerkt, ja, du lachst, du lachst, bist 'ne Tolle, weißt du hoffentlich, weißt du hoffentlich, dass du 'ne Tolle bist. Mit Tiefgang. Erinnerst mich ganz stark an jemand. Marie.

Meine erste große Liebe, einer der schönsten Menschen, die es überhaupt gibt, also nicht nur äußerlich, auch innerlich, weißte, 'ne richtige Königin irgendwie, 'ne ganz stark leuchtende Frau, ganz tolle Frau. Französin. An die erinnerst du mich. Die hatte auch so was, was man erst entdecken muss ... was auch nicht alle gleich sehen ... ganz tolle Frau war das. Sag mal, kann ich dich was fragen, kannst auch ganz ehrlich sein, sag, seh ich nicht schlimm fertig aus? Nee? Echt nicht? Sag ruhig ehrlich. Warte. So jetzt schau noch mal, jetzt hier in dem Licht, seh ich nicht schlimm fertig aus? Müde? Nee? Echt nicht? Du, das wundert mich. Ich hab drei Nächte kaum geschlafen. Unser Ältester, Felix, ich sag's dir, der ist jetzt in diesem Alter, der macht, was er will. Und er will nicht mehr in die Schule. Neunte ist der jetzt. Aber der will nur noch Party. Ich meine, versteh ich ja, ich war genau so in dem Alter, ach, noch schlimmer, viel schlimmer, richtig kriminell, was ich alles gemacht hab, da käme heute sofort das Jugendamt, kontrollieren, meine arme Mutter, echt wahr, aber das geht ja nicht, ne, geht ja nicht. Kannst ja nicht machen, was du willst mit dreizehn, vierzehn. Ist ja noch ein kleiner Steppke, auch wenn man ... na, wie groß wird der sein ... schon so ... oder sogar ... voll tiefe Stimme auch. Ich geh dem bis ... höchstens ... Sorgen ... Sorgen ...Hast du Kinder? Ist ja das Größte überhaupt, das Allerallergrößte, aber ist halt auch echt real, ne, Reality check, hello, Earth calling. Hab das ja früher nie verstanden, was alle meinen mit größtes Glück der Welt und so, aber ist so, ist so, ist halt nur ... Man lebt dann halt auf 'nem anderen Planeten, ist einfach ein vollkommen anderer Planet. Hast du Kinder? Aber ... so ist das Leben, das ist der Kreislauf, der Lauf der Dinge, Family, Kids, meine Mutter ist letztes Jahr ... So ist das halt jetzt, oder, die Eltern werden alt, schwach, schon komisch, plötzlich ist man der Starke, alles dreht sich, dabei ... Meine Frau sagt immer, ich bin zu sentimental, aber ist ja 'ne große Sache, Familie, oder, jedenfalls weiß ich manchmal gar nicht, was ich dem Felix sagen soll, weil ich weiß ja selbst noch, wie das war, wie das ist, wenn man jung ist, und jetzt auf einmal ... versteh das ja ... Ich weiß das ja noch ... Meine Güte, oder, wie schnell das geht. Hat man früher nie verstanden, oder, wenn die gesagt haben, wie schnell das geht, aber jetzt versteht man's, oder? Wie schnell das geht. Grad waren die noch Babys und jetzt rauchen die Gras ... Jedenfalls erinnerst du mich total an meine erste Freundin, nee, echt jetzt, voll, hey, das war jetzt echt ein tolles Gespräch mit dir."

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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