Männer-Kolumne:Männer aktuell, diesmal: Richard

Männer-Kolumne: Richard zeichnet - aber das ist nicht alles.

Richard zeichnet - aber das ist nicht alles.

(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Menschen, die ihren Ruhm nicht verstecken, gibt es viele. Unsere Autorin kennt nur einen mit wahrhaftig verstecktem Ruhm. Richard, der mehr Talente besitzt, als die meisten wissen dürften.

Von Johanna Adorján

Wahrscheinlich kenne ich einfach nur die falschen Leute. Wahrscheinlich kennen Sie alle viele Menschen mit verstecktem Ruhm, ich kenne nur einen: Richard.

Getroffen habe ich ihn durch eine gemeinsame Bekannte. Die organisierte mal, dass er mich im Auto mitnahm zu einer Einladung bei ihr. Sie ist eine bekannte Illustratorin und Autorin, blitzgescheit, außerdem wunderschön, alles in allem eine ebenso bezaubernde wie einschüchternde Person, weil alles an ihr so perfekt wirkt, bis hin zum Freundeskreis, der aus lauter liebevoll zusammengestellten Genies besteht.

Wie eben Richard, der ein bekannter Illustrator ist, der damals gerade an einem Buch arbeitete, das in der Zwischenzeit erschienen ist und überall fantastische Rezensionen erhielt. Laut Wikipedia ist es die wahrscheinlich meistgelobte Comic-Geschichte der letzten Jahrzehnte, wobei ich es nicht als Comic einstufen würde, sondern eher als Graphic Novel, deren Handlung nicht weniger ist als das Verstreichen von Zeit. Ein gezeichnetes philosophisches Werk über die Zeit, das außerdem noch unterhaltsam ist, so etwas Brillantes muss man erst mal hinkriegen. Als wir damals im Auto saßen und den Hudson River entlangfuhren, war dieses Werk noch in Arbeit, und so bescheiden wie er davon erzählte, hätte ich mir nie vorgestellt, was für ein Meisterwerk es wird.

Die Entdeckung des Hip-Hop, der damals noch Rap hieß

Ich fand etwas anderes, das er erzählte, viel spannender. Dazu muss man wissen, dass ich in den Achtzigerjahren, nachdem ich zuvor nur Klassik und Beatles gehört hatte, in meinem Kinderzimmer in München-Harlaching Hip-Hop entdeckte, das damals natürlich noch Rap hieß. Ich versuchte, mir Englisch beizubringen, indem ich die Texte mit dem Wörterbuch übersetzte: "Bang Bang, der Boogie zu dem Boogie, sag hoch springt der Boogie zu dem Bang Bang Boogie." Oder: "Klatscht in die Hände, wenn ihr habt, was es braucht. Denn ich bin Kurtis Blow und ich will, dass ihr wisst, dass dies die Bremsen sind." Oder eben, sehr, sehr rätselhaft: "Weiße Linien. Vision Träume der Leidenschaft. Geht durch meinen Sinn. Und die ganze Zeit denke ich an dich. Oberleitung. Eine sehr seltsame Reaktion. An dir, sie abzuwickeln. Je mehr ich sehe, desto mehr tue ich."

Das Stück hieß "White Lines" und war von Melle Mel, der auf dem einzigen Bild, das ich von ihm kannte, einen Hut aufhatte und eine breite Sonnenbrille trug. Der Song warnt vor Kokain, das aber so elektrisierend, dass es schon ein bisschen verwirrend ist, vor allem wenn man elf Jahre alt ist und keine Ahnung hat, um was für weiße Linien es geht. Zu Anfang sagt Melle Mel bedrohlich "Spaß, Baby", dann hört man ein Klirren, dann ein Knattern und dann kommt eine der berühmtesten Basslinien der Musikgeschichte, zwei Noten nur, dem Intervall nach eine kleine Terz, abwechselnd rhythmisch angeschlagen.

Diese Basslinie stammt von Richard, der mal in einer Band namens Liquid Liquid spielte und sie für deren Song "Cavern" erfand. Er erzählte es als tragische Geschichte, denn das Ganze zog einen Haufen Urheberrechtsklagen nach sich und hinterließ auf beiden Seiten Verlierer. Aber was ist das schon gegen Unsterblichkeit, dachte ich, stolz, diesen Helden zu kennen, der für viele nur ein berühmter Illustrator ist.

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