Männer:Johanna

"Herr Prof. Dr. Johanna Adorján": So war mal ein Brief an unsere Kolumnistin adressiert, der dann jahrelang neben ihrem Schreibtisch hing. Interessante Überlegung eigentlich. Was wäre sie wohl als Mann für ein Typ geworden?

Von Johanna Adorján

Herr Prof. Dr. Johanna Adorján. So war mal ein Brief an mich beruflich adressiert. Jahrelang hing der Umschlag, dessen Absender ich nicht kannte (ein Mann), an der Pinnwand neben meinem Schreibtisch in der Redaktion. Herr Professor Doktor. Hatte ich es also endlich geschafft.

Dabei, keine Ahnung, wie ich als Mann wäre, ich hoffe eigentlich nur, ich hätte mit über vierzig nicht noch New Balance Turnschuhe an.

Aber vielleicht hätte ich das. Vielleicht wäre ich jemand, der schon mit Mitte 30 begann, die eigene Jugendzeit zu verklären, wie ich das nur von Männern kenne, von keiner einzigen Frau, würde mir rührend umständlich ein paar Haare über den Kopf kämmen, um kahle Stellen zu verdecken, und ansonsten alles daransetzen, dass das Kind später meine Hobbys teilt, also FC Bayern und Stones oder so.

Ein Kind hätte ich natürlich. Anfangs hätte ich zwar nicht gewollt, aber als es dann unterwegs war, ergriff mich schon ein Stolz, der sich während der Geburt, die ich kaum noch in Erinnerung habe, so schrecklich und lang war sie, in eine Liebe verwandelte, die ich vorher nicht kannte und auch nie für möglich gehalten hätte. Danach war es leider ein bisschen schwierig mit der Kindsmutter und mir. Ich kam mir die ersten Monate nach der Geburt überflüssig vor, muss ich so sagen, alles war anders, ich fühlte mich sehr allein. Die Beziehung ging auseinander, heute teilen wir uns das Sorgerecht, und ich finde, das kriegen wir ganz gut hin.

Vielleicht hatte ich sofort eine neue Freundin, eine Jüngere diesmal, um die Kinderfrage etwas hinauszuschieben. Aber dass sie bei mir einzieht, wollte ich nicht. Okay, vielleicht hatte ich ehrlich gesagt zwei jüngere Freundinnen, die, zumindest anfangs, nicht voneinander wussten. Vielleicht hatte ich auch einen dieser Großstadtvollbärte, mit dem ich so oft mit irgendeiner Art Guru verwechselt wurde, der offenbar sauteure Ayahuasca-Sessions abhielt, dass ich inzwischen nicht mehr googeln muss, wie man den Quatsch schreibt. Oder ich hätte kein Kind, wäre aber zusammen mit meinem eingetragenen Lebenspartner gerade dabei, eines zu adoptieren. Oder wir hätten eine lesbische Freundin gefragt, aber die hätte noch nicht final geantwortet. Oder ich wäre immer schon wahnsinnig gut in Sport gewesen und irgendwas beim FC Bayern geworden, im Merchandise-Bereich oder Trainer der weiblichen F-Jugend. Oder Kellner im Schumann's. Oder Chefredakteur. Oder sonst ein klassischer Männerberuf. Wer weiß. Jedenfalls hab ich mal eine Radiosendung über eine Frau gehört, die sich mit Hormonbehandlung zum Mann umwandeln ließ, und die erzählte, das viele Testosteron habe einen anderen Menschen aus ihr gemacht. Einen, den sie selbst, die sie als Frau glühende Feministin gewesen war, grauenhaft fand, richtig widerwärtig, einen abartigen, ekelhaften Macho. Plötzlich sei da der Drang gewesen, hübschen Frauen auf die Brüste zu starren. Sie hasste sich dafür, wollte es nicht - und starrte dann doch. Sie habe nichts dagegen tun können, sagte sie, es lag am Testosteron. Also keine Ahnung von Herrn Johanna Adorján.

Dies war die letzte "Männer"-Kolumne. Im März gibt es sie gesammelt als Buch (dtv). Von nächster Woche an finden Sie hier eine Kolumne von Christian Zaschke aus New York.

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