Männer:Helmut

Männer: undefined

Ein Satz gefällt einem Leser nicht, und weil er gerne Leserbriefe schreibt, greift er auch dieses Mal zur Feder. Über ein sehr männliches Phänomen.

Von Johanna Adorján

Nicht vorenthalten möchte ich Ihnen folgenden Brief eines Lesers namens Helmut J. aus der Oberpfalz, der in der Öffentlichkeit zuvor schon als Leserbriefschreiber in Erscheinung getreten ist. So korrigierte er 2005 einen dem BR-Radio wohlgesonnenen Zeit-Journalisten, das Lob komme verfrüht, da die "hörbar unprofessionellen Ansager" sich zu "gequälten Moderationen" verstiegen, wobei ihnen immer wieder "kuriose Pannen" unterliefen, etwa die Figur des Daland in Wagners "Holländer" Donald zu nennen. 2013 widersprach er den Vorarlberger Nachrichten, die das Musikfestival Schubertiade mit dem dortigen Alpabtrieb für unvereinbar hielt. Das habe ihn als langjährigen Konzertbesucher und viele andere, mit denen er gesprochen habe, doch "sehr verwundert".

Diesmal traf es mich. Hatte ich doch, naiv und dumm, wie ich nun einmal bin, in der Kolumne der letzten Woche hier einen Satz überliefert, den ich den englischen Künstler Grayson Perry 2004 in einer Fernsehsendung hatte sagen hören, eine Definition von Glück, die mir sehr gefällt. Ich zitierte sie aus dem Gedächtnis so: "Glück ist immer das richtige Gefühl zur richtigen Zeit." Nun, Sie können sich nicht vorstellen, wie dieser Satz Helmut J. reizte. Und da belehrende Leserbriefe zu schreiben eine sehr männliche Angewohnheit ist, geben wir doch einfach ihm das Wort. So ist auch gewährleistet, dass hier endlich, endlich einmal kein Unsinn steht:

Sehr geehrte Frau Adorján,

da ist man ja richtig gespannt auf das, was kommen wird, so wie Sie Ihren "Grayson"-Artikel beginnen. Einen ganzen Abschnitt lang wird die Spannung aufgebaut, bis er dann endlich platzt, der Satz, an den Sie schon vierzehn Jahre lang denken müssen (eine Zeit, in der so mancher schon halb erwachsen wird, aber offensichtlich nicht alle), weil er so klug ist und so wahnsinnig unmodern und bei dem offenbar die Kostümierung dessen, der ihn gesagt hat, wahnsinnig wichtig ist: "Glück sei: Immer das richtige Gefühl zur richtigen Zeit."

Dieser Satz ist, es tut mir wahnsinnig leid, eher dümmlich als klug. Er ist genauso dümmlich wie der Satz, dass jemand zur falschen Zeit am falschen Ort war.

Bitte versuchen Sie mal mitzudenken: Glück sei, so besagt es diese Lebensdummheit, das richtige Gefühl zu haben, aber nur, wenn man es zur richtigen Zeit hat. Hat man's zur falschen Zeit, ist es automatisch nicht mehr das richtige Gefühl, gell? Die zweite Bedingung bläst sich also auf, als wäre sie weiß Gott wie wichtig, dabei steckt nur mangelnde Logik dahinter.

Umgekehrt: Glück ist, wenn man zur richtigen Zeit das richtige Gefühl hat. Hat man das falsche Gefühl, dann gibt es automatisch keine richtige Zeit, gell? Was der gute Perry, der sicher als gestaltender und darstellender Künstler seine Verdienste hat, aber als Philosoph eher zweitrangig ist, meint, ist: Glück ist, immer das richtige Gefühl zu haben, Punkt. Ist richtig, klingt aber nicht so schön, weil's logisch ist.

Oder wie es schon seit fast zweieinhalbtausend Jahren im "Buch der Prediger" nachzulesen ist: "Ein jegliches hat seine Zeit ..." Schlicht, wahr, logisch.

Darüber können Sie jetzt die nächsten vierzehn Jahre nachdenken - hier lohnt sich's!

Mit freundlichen Grüßen

Helmut J.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: