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Wozu glauben Männer eigentlich, sie müssten Uhren tragen und möglichst teure noch dazu? Als ob es wichtig wäre, zu wissen, wie spät es ist.

Von Johanna Adorján

Was ist eigentlich so unglaublich faszinierend an teuren Armbanduhren? Diese Frage stellt sich, neben vielen anderen, beim Durchblättern des Herrenmagazins GQ, in dem unfassbar viele Armbanduhren vorkommen, sei es als Werbung oder redaktioneller Beitrag. Das ist auch deshalb rätselhaft, weil derselbe Verlag sogar ein eigenes Magazin für Uhren verantwortet, das bisher GQ Uhren hieß, jetzt aber umgetauft wurde in GQ Watches, also ins Deutsche übersetzt GQ Uhren, möglicherweise in der hinterlistigen Absicht, dass auf diese Weise alle potenziellen Leser, die bereits eine Uhr haben, denken: Hm, eine Uhr hab ich ja nun schon, aber stimmt eigentlich, 'ne Watch bräuchte ich noch.

Auf dem Titel der GQ ist Mick Jagger drauf, und zwar, verrückte Idee, noch nie so gesehen, in drei unterschiedlichen Versionen. Man kann je nach individueller Mick-Jagger-Reifegrad-Vorliebe auswählen, ob man lieber mit einem Magazintitel in der Kioskschlange stehend gesehen werden möchte, auf dem Mick Jagger jung, mittelalt oder recht alt zu sehen ist. Ich persönlich habe mich für den jungen entschieden, das aber auch nur, weil es kein Cover mit Keith Richards gab.

Viele Männer interessieren sich sehr dafür, wie spät es ist. Die Uhrenindustrie freut's

GQ Watches möchte ich mir nicht kaufen. Ich möchte mir noch nicht einmal eine Uhr kaufen. Da fände ich die Idee aus dem alten Rom einleuchtender, sich permanent von einem Sklaven "Memento Mori" zubrüllen zu lassen, also dass man niemals vergessen soll, dass man sterblich ist. Denn was sonst sagt einem eine Uhr? Sekunden, Minuten, Stunden vergehen. Wochen. Ist die Uhr von solider Qualität, sind bald Jahrzehnte vorbei. Und am Schluss stirbt man, und tick, tock macht die Uhr. Warum sich bei jedem versehentlichen Blick übers Handgelenk daran erinnern, dass alles vergänglich ist, warum dieser Masochismus? Und man komme mir jetzt nicht damit, dass eine Uhr einem schließlich die Uhrzeit mitteilt, an der kommt man ja auch ohne Armbanduhr weiß Gott nicht vorbei. Sie steht auf dem Handy, man hört sie im Radio, liest sie auf Bewirtungsbelegen oder am Stand der Sonne ab.

Außerdem macht einen eine Uhr so klein. Man schnallt sich freiwillig etwas um, das einem den gesamten Tagesablauf diktiert: "Was, schon so spät? Ich muss los, tschau." Und ein paar Tausend Euro dafür, dass man mit ihr auch zum Tiefseetauchen gehen könnte, obwohl man nie taucht?

Richtig coole Leute lassen sich nicht durch ihr Leben hetzen, richtig uncoole Leute tragen neuerdings Uhren, die sie anherrschen, sie hätten noch nicht die für den Tag erforderliche Schrittmenge absolviert, um die angepeilten Kalorien zu verlieren.

Die einleuchtendste Uhr, die ich je gesehen habe, stammte vom Schweizer Uhrmacher Abraham-Louis Breguet, der von 1747 bis 1823 lebte. Es handelte sich dabei um eine Reiseuhr, rechteckig, aus vergoldetem Messing und mit Tragegriff oben, die auch als Wecker genutzt werden konnte. Dafür ließ sich aber nicht einfach blöd und arm die Uhrzeit einstellen, zu der man halt aufstehen musste, als eigener Sklave seines jämmerlichen Daseins, sondern stattdessen die Anzahl der Stunden, die man zu schlafen gedachte. Ist das nicht elegant? Wenn man schon sterben muss, meine Herren, dann doch so.

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