Luft und Liebe:Wo du nicht bist, da will ich sein!

Lesezeit: 4 min

Wer ernsthaft mit dem Gedanken spielt, verheiratet zu bleiben, sollte lernen, erfolgreich aneinander vorbeizuleben.

Violetta Simon

Die einzige Möglichkeit, längerfristig miteinander auszukommen, ist, sich aus dem Weg zu gehen. Denn: Je seltener sich zwei begegnen, desto seltener können sie sich streiten. Und umso geringer ist die Chance, zu merken: Eigentlich passen wir kein bisschen zueinander. Leider ist das recht oft der Fall: Die meisten Menschen finden es zu Beginn einer Beziehung unheimlich aufregend, wenn der Partner so ganz anders ist. Bis er sie irgendwann genau deshalb einfach nur noch unheimlich aufregt.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Dann heißt es: Kontakt reduzieren! Das beste Beispiel ist die Queen und ihr Ehemann: Elizabeth, Tochter aus bestem Hause, und der alte Haudegen Philip - unterschiedlicher kann ein Paar kaum sein. (Bis auf ihren schrägen Sinn für Humor vielleicht - es dürfte nicht viele Menschen geben, die sich über fiepende Gummisemmeln oder ein herrenloses Gebiss auf dem Frühstücksteller amüsieren ...)

Als ihnen eines Tages das Lachen immer öfter im Halse stecken blieb und sie sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern konnten, warum sie eigentlich geheiratet hatten, erhöhten sie langsam aber stetig den räumlichen Abstand. Bis eines Tages jeder in einem anderen Flügel des Schlosses wohnte. Selbst wenn Prinz Philip den unvermittelten Wunsch verspürt hätte, seine Königin in die Arme zu schließen - bis er in ihrem Schlafgemach eingetroffen wäre, hätte er längst vergessen, was er dort eigentlich wollte. Und so unterließ er es lieber gleich.

Kriegsschauplätze der Liebe

Inzwischen führen die beiden die perfekte Ehe: Streit gibt es so gut wie nie. Der Anblick des anderen in labberigen Wohlfühlklamotten bleibt ihnen erspart, weil sie sich nur noch auf offiziellen Terminen über den Weg laufen, wo sie sich mit Komplimenten überhäufen: "Mensch, Lizzy! Gut siehst du aus - ist das neu?" "Vergiss es, Philip, du wirst niemals König". Alle fünf bis zehn Jahre feiern sie irgendein Hochzeitsjubiläum, bei dem sie nebeneinandersitzen, lächeln und heimlich Liebenswürdigkeiten austauschen: "Was ich dir noch sagen wollte: Dein Antrag auf die Regentschaft ist abgelehnt." "Alte Ziege. Ich hab' sowieso keinen Bock, mit dir im selben Unternehmen zu arbeiten."

Es ist schon beachtlich: Auf diese Art und Weise haben sie es jetzt immerhin 60 Jahre miteinander ausgehalten. Zur diamantenen Hochzeit gab es ein dickes Lob vom Erzbischof von Canterbury - wegen ihrer Vorbildfunktion in einer Zeit der "Wegwerfbeziehungen". Statt nach jedem unbedeutenden Seitensprung oder einer Meinungsverschiedenheit einen Rosenkrieg anzuzetteln, nehmen diese beiden lieber die Scherben ihrer Liebe in die Hand und sagen sich: "Halb so schlimm, das kann man kleben!" Und machen weiter.

Mann, sind wir glücklich!

An diesem Dienstagmorgen sitzen Margot und Erik, wie jeden Tag, gemeinsam bei einer Tasse Kaffee über der Zeitung. Erik und Margot würden die Zeitung niemals aufteilen, wie andere Ehepaare es tun - er etwa den Sport- und Wirtschaftsteil, sie die Nachrichten und das Feuilleton. Sie lesen die Artikel immer zusammen - weil sie einfach alles zusammen tun. Wenn der eine früher mit Lesen fertig ist, wartet er geduldig, bis er umblättern darf. Erik, der von Berufs wegen ein bisschen schneller liest, findet das manchmal ein wenig nervig. Aber nur ein bisschen. Zwischendurch nippen sie an ihrem Kaffee und lächeln sich an. In letzter Zeit hört Margot allerdings immer einen Moment früher damit auf als er.

Lesen Sie weiter: Wie Erik und Margot ihre Ehe retten

Als sie den Artikel über das Jubiläum der Queen lesen, wechseln sie einen amüsierten Blick. "Disziplin und Kompromisse", zitiert Erik lehrmeisterhaft. "Genau wie bei uns", fügt Margot scherzend hinzu und lächelt dazu säuerlich. Doch Erik geht nicht weiter darauf ein und sagt nur kopfschüttelnd: "Getrennte Schlafzimmer, getrennte Räume - das hätte ich von den beiden nicht gedacht".

"Naja, wenn der andere zum Beispiel unerträglich schnarcht ... Ich krieg ja manchmal auch kein Auge zu." "Ach. Mir gegenüber hast du mal behauptet, das stört dich nicht." "Da konnte ich am nächsten Tag ausschlafen. Außerdem war ich nicht mehr ganz nüchtern." "Du meinst wohl, du warst dermaßen blau, dass du selbst neben einer Kettensäge nicht aufgewacht wärst." "Also jetzt werd' mal nicht unverschämt, ja? Wer findet denn immer kein Ende, wenn Gäste da sind?" "Na, weil ich so froh bin, wenn ich mal jemand anderen zum Reden hab!" "Ah, so ist das! Ich langweile dich also! Das sagt der Richtige. Du müsstest dich mal reden hören. Bei deinen Monologen über die Riesterrente sind den Hollwegers beinahe die Augen zugefallen!" "Die waren nur so müde, weil ihnen dein Essen schwer im Magen gelegen ist." "Willst du jetzt auch noch behaupten, ich kann nicht kochen?" "Naja, kommt darauf an, was man unter kochen versteht. Du kannst Essen erwärmen." "Da hab ich dir immerhin was voraus - du würdest selbst vor einer Packung Nudeln verhungern!" "Pah! Dass ich nicht lache. Und du? Hast du dich auch nur einmal gefragt, wie das Licht in die Lampe kommt? Du kannst ja nicht mal eine Glühbirne auswechseln!" "Jetzt reicht's. Wetten, dass ich ohne dich besser klarkomme?" "Um wie viel?"

Schöner Wohnen

Sie einigten sich darauf, das Margot das Schlaf- und das Arbeitszimmer, Erik das Wohn- und Gästezimmer bewohnt. Küche und Bad wurden gemeinsam genutzt. Wenn sie sich in der Küche begegneten, nickten sie sich kurz zu und verschwanden jeder in seinen Bereich. Wenn Freunde zu Besuch kamen, taten sie so, als wäre alles beim Alten.

Spätabends, die Gäste waren gerade gegangen, räumen sie das Geschirr in die Spülmaschine. "Wer hat eigentlich gewonnen?" "Was?" "Na, die Wette?" "Ach die. Keine Ahnung. Wichtig ist doch, dass wir unsere Ehe gerettet haben." "Stimmt. Wenn wir so weitermachen, schaffen wir es locker bis zur diamantenen Hochzeit. Vielleicht sogar bis zur eisernen." "Da du nicht mehr für mich kochst, stehen meine Chancen nicht schlecht, dass ich bis dahin noch lebe." Er duckt sich unter einem herannahenden Messer und flüchtet. "Vergiss das mit der Eisernen. Bis dahin hat dich längst beim Auswechseln einer Glühbirne der Schlag getroffen!" Das zweite Messer bleibt in der Tür stecken.

Am nächsten Morgen wird Margot durch lautes Rumoren geweckt. "Gestern Abend war der beste Beweis", sagt Erik durch das verbliebene Loch in der beinahe zugemauerten Küchentür. "Es ist einfach nicht gut, so nah aufeinanderzuhocken. Das gibt nur Streit!" Dann setzt er den letzten Ziegelstein ein und verschwindet.

Sie legt ihr Ohr an die noch feuchte Wand, hält kurz inne und ruft: "Wir sehen uns - spätestens in 53 Jahren zur diamantenen Hochzeit!" Dann setzt sie sich auf den Boden und nickt. "Disziplin und Kompromisse - die Queen hat ja so Recht."

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: