Luft und Liebe:Reicher Hengst mit Doktortitel gesucht

Von wegen, Frauen wissen nicht, was sie wollen. Sie wollen am liebsten alles auf einmal. So was Ähnliches wie den männlichen Hauptdarsteller in einem Rosamunde-Pilcher-Film.

Violetta Simon

Nirgendwo sülzen Männer so schön wie in Kontaktanzeigen. Nirgends gibt es so viele "hochintelligente Traummänner", "rassige Liebhaber mit Niveau" oder "attraktive Unternehmer mit Sinn für Erotik und Kultur".

luft und liebe

Frauen weigern sich, der Realität ins Auge zu sehen. Sie wollen den sensiblen, intellektuellen Supermann mit Hausmann-Qualitäten, der im Bett eine Granate ist.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Genau das Richtige für Helene. Schon als Mädchen träumte Helene davon, einen Prinzen/Traummann zu finden, der sie auf seinem Ross/seiner Harley in die weite Welt/in die Karibik entführt und bis ans Lebensende/bis sie genug hatte glücklich macht. Er sollte gut aussehen, freundlich, gebildet und wohlhabend sein.

Dann las sie das: "Wenn sich die leuchtenden Farben des Herbstes in Deinen Augen wie in einem See spiegeln, beginnt mein Herz zu singen."

Jetzt hat sie Heinz. Heinz fährt VW Passat und hält Glück für einen Mythos der Lotterie-Verbände. Freunde sagen, Heinz sehe "ganz passabel" aus. Von Theater und Oper behauptet Heinz, das sei was für Leute, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anstellen sollen. Einmal im Jahr fahren sie zum Campen an den Plattensee.

Wie konnte das passieren? Heinz und Helene lernten sich über ein Inserat kennen. Er hatte sich eben gut verkauft. (Dabei hatte er dieses Zeug mit dem Herbst und dem singenden Herzen bestimmt irgendwo abgeschrieben). Doch mindestens ebenso bemerkenswert daran ist: Helene hat ihm das abgekauft. Sie wollte es so gerne glauben.

Das ist ihr bis heute ein wenig peinlich.

Nur deshalb verzichtet sie darauf, ihn mit seiner Kontaktanzeige von damals, die sie aus nostalgischen Gründen in einem Kästchen aufbewahrt hat, zu konfrontieren: "Was ist nun mit 'Romantik ohne Ende'? Wo bleibt Deine 'humorvolle, charmante' Art? Und warum kann sich nicht auch mal der Indische Ozean oder wenigstens der Comer See in meinen Augen spiegeln?"

Stattdessen träumt Helene im Stillen weiter. Als sei Heinz ein Ausrutscher, und der Märchenprinz nur vorübergehend verhindert.

Leben in einem Rosamunde-Pilcher-Film

Frauen weigern sich, der Realität ins Auge zu sehen - selbst wenn sie mitten drin stecken. Das sieht man am besten, wenn sie selbst zu Wort kommen. Die Zeitungen sind voll von Annoncen, in denen Frauen beschreiben, was sie von einem Mann erwarten. Und das ist nicht weniger als: Verwandle mein Leben in einen Rosamunde-Pilcher-Film!

Diese Kontaktanzeigen lesen sich wie der Wunschzettel eines Wesens, das vielleicht in Barbieland lebt, auf jeden Fall aber nicht von dieser Welt ist: "Wenn Du zuverlässig, intelligent, gebildet, vielseitig interessiert, humorvoll, sportlich, attraktiv, zärtlich, musikinteressiert bist und auch noch gut kochen kannst, melde Dich!" "Mein Traum wäre ein charismatischer, humorvoller, ehrlicher, gut aussehender, schlanker und liebevoller Nichtraucher". "Erfolgreich sollte er sein, leidenschaftlich, tier- und kinderlieb, attraktiv, sportlich, niveauvoll, gebildet, humorvoll und natürlich treu."

Mit Sicherheit besitzen die meisten Männer solche Eigenschaften - nur nicht alle auf einmal!

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Reicher Hengst mit Doktortitel gesucht

Wäre das der Fall, käme dabei eine Kreuzung aus erfolgreichem Geschäftsmann, begnadetem Liebhaber, Hausmann, Akademiker, Komiker und Trottel heraus. Abgesehen davon, dass das ziemlich unwahrscheinlich ist, wäre so einem eierlegenden Wollmilcheber keine Sau - pardon - keine Frau gewachsen.

Bleibt die Frage: Welcher Mann wagt es, auf so eine Anzeige zu antworten? David Copperfield? George Clooney? Die würden doch sofort rausfliegen, weil sie höchstens eines dieser Kriterien erfüllen!

Nein, nein, solche Männer kann man nicht anfassen. Das sind Geschöpfe der Phantasie - aber nicht nur der weiblichen. Auch der männlichen: Diese Lichtgestalten treten auch dann in Erscheinung, wenn ER sich in einer Annonce präsentiert: "Ich, zärtlich, einfühlsam, vorzeigbar, schlank, Kavalier, zuverlässig, problemfrei(!), romantisch, reiselustig, suche Dich!"

Wunder, noch zu haben

Man fragt sich wirklich: Warum ist dieses Wunder nicht längst unter der Haube? Vielleicht weil das Attribut "reiselustig" mangelnden Humor nicht ersetzen kann? Oder weil er einfach nur vergessen hat, seine Nummer anzugeben?

Eine kleine Panne kommt ja ab und zu vor. Erst kürzlich wurde ein Rendezvous unvermittelt abgebrochen, weil ein Herr (48, geschieden) bei einer Kontaktanzeige - "W, 65/155/50" - das Alter der Dame mit ihrem Gewicht verwechselt hatte. Dann war da noch die junge Frau, die völlig sprachlos war, als sie einem testosterongesättigten Typen mit offenem Hemd gegenüberstand, dem die Brusthaare bis zum stoppeligen Kinn reichten. Sie hatte geschrieben: "Sind Sie groß, dunkeläugig und -haarig?" Manchmal sollte man mit Worten eben nicht an der falschen Stelle sparen.

Wenn für ein derart hohes Niveau die eigene Phantasie an ihre Grenzen stößt oder gar die Worte fehlen, sollte man sich nicht scheuen, eine professionelle Partnervermittlung zu beauftragen. Mithilfe neuester Marketingstrategien kommt selbst der lausigste Bewerber perfekt zur Geltung.

Die Männer dort sind nicht einfach nur gut situiert - sie sind "Erbe eines Wellness-Hotels". Hier gibt es keine gewöhnlichen Akademiker, sondern nur den "charmanten Medizinprofessor und Chefarzt". Diese Herren sind nicht nur attraktiv. Sie sehend "blendend" aus!

Das ist auch viel zutreffender, denn: Ums Blenden geht es ja schließlich. Erst wenn man sich ein paar Mal getroffen hat, erfährt man, dass der Chefarzt eigentlich nur ein abgebrochenes Medizinstudium vorzuweisen hat. Und das Wellness-Hotel eine Pension mit Sauna und Solarium ist.

Aber wer wird denn gleich weinen - alles halb so schlimm! Niemand kann Rosamunde Pilcher in Endlosschleife ertragen.

Wir sollten einsehen, dass in jedem Mann ein Heinz steckt. Und in jedem Heinz ein Held. Und wir sollten uns mit dem Gedanken anfreunden, dass nicht in jeder Frau eine glutäugige schöne Helena steckt, sondern eher eine Helene. Und das ist gut so. Denn: Mehr ist auf Dauer einfach nicht drin.

Bei all dem Gesülze wird eben auch nur mit Wasser gekocht. Außerdem ist weniger manchmal mehr.

Kürzlich durchstreifte Helene wieder die Kontaktanzeigen: "ER (45) sucht nette SIE (38-40) zur Familiengründung." "Klingt spannend", denkt sie. "Da ist noch alles drin." Und beginnt zu träumen.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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