Luft und Liebe:Geliebte Plaudertasche

Schön, wenn die beste Freundin keine Geheimnisse vor ihrem Mann hat. Dumm, wenn das auch für die Geheimnisse anderer Personen gilt. Wer damit ein Problem hat, sollte sich einem Zettel anvertrauen und ihn vergraben.

Violetta Simon

Da kommt Heinz, der Mann meiner besten Freundin. Heinz guckt heute irgendwie komisch. So lauernd, und auch ein bisschen schadenfroh. Plötzlich wird mir ganz komisch. Mein Kopf wird heiß, das Blut sackt in die Beine.

Luft und Liebe: tratsch

Wie jeder Arzt oder Rechtsanwalt sollte eine gute Freundin sich an die Schweigepflicht halten. Selbst dem eigenen Mann gegenüber.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Diese Plaudertasche hat ihm alles brühwarm erzählt.

"Jetzt reg dich nicht so auf, er ist schließlich mein Mann". "Eben. DEIN Mann ist für mich ein Fremder. Und du verrätst ihm vor dem Schlafengehen noch so nebenbei, was ich dir anvertraut habe." "Aber ich habe nunmal keine Geheimnisse vor ihm". "Aber ich! Und es war schließlich mein Geheimnis. Wenn ich will, dass die halbe Welt an meinem Intimleben teilnimmt, trete ich in der Oliver-Geissen-Show auf." "Also ich finde, du übertreibst. Es bleibt ja quasi in der Familie."

Wenn ich geahnt hätte, was meine Freundin unter Geheimhaltung versteht, hätte ich geschwiegen. Ihr Versprechen "Ich sag es niemandem!" bedeutete in Wirklichkeit "Ich sage es meinem Mann".

Mag ja sein, dass meine Freundin ihren Mann als "Niemand" einstuft. Ihre Sache. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie über meine Geheimnisse nach Belieben verfügen kann. Auch ein Niemand kann quatschen. Er ist und bleibt ein ungebetener Mitwisser. Ein Risikofaktor.

Wie jeder Arzt oder Rechtsanwalt sollte auch eine gute Freundin sich an die Schweigepflicht halten. Die Wahrung einer vertraulichen Information muss ja nicht gleich gesetzlich geregelt werden - sie sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Obwohl sie schon eine saftige Geldstrafe verdient hätte. Wenn nicht sogar Knast. Dort könnte sie sich mal ordentlich ausschweigen.

Frauen können einfach nicht ihre Klappe halten

Warum hat sie es nicht einfach für sich behalten? Oder auf einen Zettel geschrieben und in der Wiese vergraben, wenn sie es unbedingt loswerden musste? Die bessere Frage wäre: Warum habe ICH das nicht getan?

Vermutlich aus demselben Grund: Frauen können ihre Klappe nicht halten. Sie interpretieren den Kreis der Vertrauten einfach jedesmal neu. Heute sind es die besten Freundinnen, morgen der Mann, übermorgen die Kollegin. Deshalb haben sie meist kein schlechtes Gewissen, wenn sie Vertrauliches ausplaudern.

Auch wenn weibliche Teenager in der Regel nicht Herrinnen ihrer Sinne sind - in dieser Beziehung sind sie schlauer als Erwachsene: Sie vertrauen ihre Geheimnisse einem Tagebuch an. Ein Tagebuch zeigt zwar keine Anteilnahme. Es sagt nicht "Ach!" oder "Dasgibtsdochnicht!" oder "Unddashaterwirklichgesagt?" Dafür geht es aber auch nicht zum Nächstbesten und sagt: Schlag mich auf und lies nach, was es Neues gibt.

Manchmal sind Freundinnen eine echte Plage. Wie soll ich dem Mann von dieser Quasselstrippe nur in die Augen sehen, wenn ich ihm das nächste Mal begegne? Muss ich jetzt jedesmal sein blödes Grinsen ertragen?

Bestimmt hat er alles weitererzählt. Schließlich hat selbst ein Mann einen besten Freund. Das bedeutet: Meine Freundin weiß es. Ihr Mann weiß es. Dessen bester Freund weiß es. Mit anderen Worten: alle. Die Leute werden hinter vorgehaltener Hand über mich tuscheln, mit Fingern auf mich zeigen. Ich bin erledigt.

Was tun die da eigentlich?

Vielleicht habe ich mir das mit dem hämischen Blick auch nur eingebildet oder hatte einfach nur einen Fussel auf der Nase. Vielleicht habe ich ja Glück und er hat seiner Frau gar nicht zugehört. Schließlich interessiert er sich sonst ja auch nicht für Frauenprobleme.

Das Dumme ist nur: Diesmal ging es nicht um Beckenbodentraining, Menstruationsbeschwerden oder Hausgeburt. Da hätte er sicher auf Durchzug geschaltet. Diesmal gab es Neuigkeiten aus der Sex-&-Crime-Ecke, und da stehen selbst männliche Ohren auf Empfang - hoher Unterhaltungswert!

Auch wenn Männer es nur ungern zugeben - Frauenabende sind für sie ein Mysterium. Sie würden zu gern genauer wissen, was da gesprochen wird. Dabei sind sie hin- und hergerissen zwischen der Gier nach schlüpfrigen Geschichten über andere (je intimer, desto besser!) und der Angst, ihre Frau könnte Details über sie selbst ausgeplaudert haben (je intimer, desto schlimmer!).

Kommt eine Frau von einem Damenabend zurück, wird sie deshalb nicht selten bereits an der Wohnungstür abgepasst: "Und, was gibt's Neues?" Man muss sich das als eine Art Subkultur vorstellen, die so ein Frauenstammtisch nach sich zieht: Wenn jede dieser Frauen zu Hause einen Mann hat, der auf Informationsnachschub wartet, kann man sich ausrechnen, wie lange es dauert, bis eine pikante Geschichte ihre Kreise zieht.

Nur der Tatsache, dass Männer kommunikative Neandertaler sind, ist es zu verdanken, dass die Geschichte versickert, bevor sie Wellen schlägt. Es bleibt beim Informations-Recycling ohne große Weiterverwertung.

Hoffentlich. Für alle Fälle habe ich auch noch was in der Hand. Meine Freundin hat beim letzten Stammtisch - ganz im Vertrauen - diese Sache mit den Gummistiefeln erzählt hat. Das nächste Mal, wenn er wieder so doof grinst, werde ich ihn einfach mal darauf ansprechen. Es bleibt ja in der Familie.

Gummistiefel, also ehrlich. Das hätte ich von Heinz nicht gedacht. Mein Mann übrigens auch nicht ...

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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