Luft und Liebe:Allein unter halbnackten Frauen

Sie spricht von Entspannung. Er sieht darin einen freizeitvernichtenden Horrortrip. Männer in der Shopping-Hölle.

Violetta Simon

Kürzlich habe ich einen Freund gefragt, was er an seiner Partnerin ändern würde. Er überlegte nicht lange: "Dass sie endlich aufhört, mich in ihren Lieblings-Laden zu schleifen. Sobald wir durch die Tür sind, bekommt sie diesen Scannerblick - beängstigend. Wie ein Roboter, der seine Umgebung im Ausschlussverfahren wahrnimmt. Als allererstes werde ich ausgesondert. Sie platziert mich auf der Couch, lädt ihre Tasche und ihre Jacke bei mir ab. Innerhalb von Minuten kommen diverse Hosen, Röcke, Mäntel und Shirts dazu - auf meinem Schoß türmt sich eine komplette Damenausstattung. Anschließend werde ich gezwungen, sie in die Damenkabinen zu begleiten. Da stehe ich dann herum wie Falschgeld und weiß nicht, wo ich hinsehen soll. Einfach unerträglich." Ich klopfe ihm tröstend auf die Schulter und gebe mich betroffen.

luft und liebe - shoppen

Frauen brauchen keine Hose. Sie brauchen Sammlerglück. Und eine Kreditkarte.

(Foto: Foto: iStockphotos)

Kein Zweifel: Eine Freizeitbeschäftigung, der ein Mann nichts, aber auch gar nichts abgewinnen kann, ist der gemeinsame Besuch eines Bekleidungsgeschäftes. Es beginnt bereits mit dem Unterschied, dass ein Mann hier niemals von "Freizeitbeschäftigung" sprechen würde, sondern vielmehr von "Freizeit-Vernichtung". Frauen verwenden in diesem Zusammenhang gern den Begriff "Shopping". Männern fällt dazu höchstens der Ausdruck "Horrortrip auf eigene Kosten" ein. Männer shoppen nicht - sie kaufen sich was.

Ein Mann betritt einen Laden nur, weil er etwas Bestimmtes will. Mit anderen Worten: Er ist auf der Jagd und hat einen Plan. Dieser lautet zum Beispiel: "Ich brauche eine neue Hose. Sie muss drei Voraussetzungen erfüllen: Hosentaschen, zwei Beine unten dran, Preis unter 99 Euro." Er nimmt 100 Euro mit, betritt ein Geschäft und kauft sich eine Hose. Mit Hosentaschen und zwei Beinen unten dran. Die Hose kostet 99 Euro. Wäre sie teurer, käme sie nicht in Frage. So einfach ist das.

Die Gnade der perfekten Hose

Eine Frau kann das nicht nachvollziehen. Sie wird sich fragen: Woher soll ich wissen, wieviel Geld ich brauche? Der Preis ist schließlich kein Kriterium, wenn sich eine Hose dazu herablässt, sich ohne Spannen und Beulen an meinen Körper zu schmiegen. Ein Hoch auf die Kreditkarte! Das ist der nächste Unterschied: Eine Frau würde nie nach einer Hose suchen, weil sie eine braucht. Der Begriff "brauchen" hat in einem weiblichen Kleiderschrank so wenig zu suchen wie Doppelrahmkäse im Kühlschrank eines Cholesterinpatienten.

Liebe Damen - machen wir uns also bitte nichts vor: Wir brauchen ein Kleidungsstück erst, nachdem wir es entdeckt haben. Kreuzt die perfekte Hose unseren Weg, können wir ohne sie nicht mehr leben. Nicht wir finden sie. Sie findet uns. Was wir also brauchen, ist kein Plan. Was wir brauchen, ist Sammlerglück.

Nächster Unterschied: Frauen betreten ein Geschäft nicht. Sie stranden dort. Getragen von einem diffusen Gefühl zwischen Bangen und Hoffen schweben sie gen Damenabteilung. "Mal gucken" lautet das Motto, das sie beflügelt. Behaupte also bitte niemand, Shoppen sei reine Entspannung. Das pure Gegenteil ist der Fall, denn: Niemand kann sagen, wie die Sache ausgeht. Fühlt sie sich anschließend wie Deutschlands neues Supermodel? Oder landet sie nach einem missglückten Anprobe-Marathon beim Therapeuten.

Die lustigen Schneiderlein

Anlass zum Verzweifeln gäbe es genügend. Der natürliche Feind Nummer eins einer Frau ist das Kleid, das eigentlich passen würde - wenn sie nur endlich drinnen wäre. Leider lässt es sie nicht rein. Das liegt am Reißverschluss, den boshafte Schneider stets ein Stückchen kürzer als nötig konzipieren.

So ein Schneider muss über einen besonderen Humor verfügen. Vermutlich lacht er sich nach getaner Arbeit ins Fäustchen bei der Vorstellung, wie eine wild entschlossene Kundin beim Einsteigen ins Kleid mit der Körpermitte stecken bleibt. Oder beim verzweifelten Versuch, es sich über den Kopf zu ziehen. Wie sie - mit entblößtem Hintern, gefesseltem Oberkörper und nach oben gereckten Armen - um Hilfe rufen muss. Von unheimlichen Begegnungen mit frauenfeindlich geformten Hüfthosen und missglückten Dessous-Anproben bei kaltem Neonlicht wollen wir gar nicht erst sprechen

Shoppen ist eben nur manchmal gut für die weibliche Psyche. Doch auf männlichen Beistand hoffen wir leider vergeblich: Seine Psyche leidet dabei nämlich noch viel mehr. Sagt er jedenfalls. Vermutlich deshalb ist ein Mann im Laden stets auf der Flucht. Sobald sie hinter dem Vorhang verschwindet, macht er sich aus dem Staub. Und Männer haben wirklich eine besondere Begabung, sich unsichtbar zu machen.

Allein unter halbnackten Frauen

Um ihre mangelnde Ausdauer zu rechtfertigen, betonen manche gerne, wie unangenehm es ihnen sei, in einer Damenkabine zu stehen. "Unter all den halbnackten Frauen hinter Vorhängen und Schwingtüren", jammert er. "Da komme ich mir vor wie irgend so ein ein verklemmter Voyeur!" "Aber die beachten dich doch gar nicht", versucht sie ihn zu beruhigen. "Eben!", kontert er. "Die ignorieren mich einfach. Das ist doch nicht normal. Das ist entwürdigend!"

Ob dieser Mann sich schon mal Gedanken gemacht hat, wie würdevoll es ist, in Strümpfen und nur halb bekleidet um die Damenkabine herumzulaufen, weil man verzweifelt seinen Mann sucht?

In diesem Moment tönt eine Stimme aus der Kabine nebenan: "Entschuldigung, dürfte ich mir kurz mal Ihren Mann ausleihen? Meiner ist verschwunden." Na gut, wollen wir mal nicht so sein: "Aber gern!"

"Wie finden Sie diesen Rock?" "Ganz gut". "Finden Sie nicht auch, dass er ein bisschen gewagt ist?" "..." (Schulterzucken) "Vielleicht eine Nummer kleiner?" Schweigen. "Irgendwie sitzt er nicht richtig" "Hm" "Wahrscheinlich liegt es am Schnitt. Ich glaub, ich lass es. Aber danke für ihre Hilfe!"

Es stimmt schon - Männer sind nicht geschaffen für diese Art der Beschäftigung. Sollten Sie einen von ihnen hilflos in einer Damenabteilung auflesen, liefern Sie ihn an der Kaffeebar ab. Klopfen Sie ihm tröstend auf die Schulter und geben Sie sich betroffen.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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