Luft und Liebe:Allein ist es doch am schönsten

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Die meisten Singles sind mit ihrer Gesamtsituation unzufrieden und wünschen sich eine Beziehung. Schön doof. Sie sollten sich glücklich schätzen.

Violetta Simon

Geschafft. Gut, dass es endlich rum ist. Wenn man verschiedenen Umfragen Glauben schenkt, muss 2007 ein unglaublich miserables Jahr für Singles gewesen sein. Der Grund: Die meisten von ihnen hätten keinen einzigen potenziellen Partner getroffen, geschweige denn dass sich aus einer viel versprechenden Bekanntschaft etwas entwickelt hätte.

Allein kann Mann tun was er will. (Foto: Foto: iStockphoto)

Da fragt man sich: Sind die noch zu retten? Ist von diesen Glückspilzen nicht einer auf die Idee gekommen, dass sie nochmal davongekommen sind? Etwa dreiviertel aller deutschen Singles hoffen darauf, 2008 einen Partner zu finden. Das sollten sie sich lieber nochmal überlegen.

"All unser Übel kommt daher, dass wir nicht allein sein können", hat Schopenhauer einmal gesagt. Da ist was dran. Die meisten Menschen sind tatsächlich nicht in der Lage, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Deshalb tun sie sich oft mit irgendjemandem zusammen - auch wenn sie damit keineswegs besser dran sind.

Wer das nicht glaubt, sollte Vor- und Nachteile einmal objektiv miteinander vergleichen.

Nehmen wir erst mal die Damen. Stellen Sie sich bitte folgende Situationen vor: Sie waschen nur Ihre eigene, wohlriechende Wäsche. Ihre Wohnung ist ordentlich - und ist es noch, wenn Sie abends zurückkehren. Sie dekorieren und verschieben Möbel nach Lust und Laune. Wann immer Ihnen nach frischer Luft ist, öffnen Sie ein Fenster. Niemand nöhlt herum und droht mit dem sofortigen Erfrierungstod. Überall stehen mit Duftöl getränkte Trockenblumenpotpourris und Duftkerzen. Der Fernseher empfängt keinen Sportkanal und läuft erst, wenn alle wichtigen Dinge erledigt sind. Im Kühlschrank ist genügend Platz für Kosmetik, niemand isst versehentlich die Nachtcreme auf. Sie können sich angstfrei auf die Toilette setzen, ohne vorher die Klobrille zu inspizieren, gehen barfuß durch die Wohnung, ohne auf Brösel, die Fernbedienung oder in eine alte Pizza zu treten. Na, wie ist das?

Und jetzt stellen Sie sich vor: Sie stehen auf, begeben sich in gebückter Haltung ins Bad, weil Sie auf dem Weg dorthin diverse Kleiderhaufen vom Boden schnappen. Während Sie duschen, reißt jemand die Tür auf, stellt den Klassiksender auf Radio Energy um und setzt sich aufs Klo. Beim Rausgehen lässt er die Tür auf, die wohlige Wärme verdampft. Sie schaffen es, zur selben Zeit Frühstück zu machen, die Kinder und sich selbst anzuziehen, die Waschmaschine anzuwerfen, wie Sie das erst gestern und auch tags zuvor getan haben. Sie verlassen mit hängender Zunge das Haus. Abends räumen Sie um Ihren Mann herum, der gerade fernsieht. Sie würden gern auch so dasitzen können, mitten im Chaos. Noch lieber wäre Ihnen, er würde Ihnen helfen. Sie fallen gerädert ins Bett. Im nächsten Moment klingelt der Wecker. Sie stehen auf, begeben sich in gebückter Haltung ins Bad ... Na, wie fühlt sich das an?

Nun zu den Herren - Fortsetzung: nächste Seite ...

Nun zu den Herren. Stellen Sie sich bitte ... Also das funktioniert nur, wenn Sie den Fernseher abschalten, ja? Am besten, Sie schließen einfach die Augen. Gut. Los geht's: Sie werfen alles, was Sie gerade nicht brauchen (Hemden, Socken, nasse Handtücher, benutzte Pappteller) von sich; Sie warten - niemand bringt mit spitzen Fingern etwas davon an und konfrontiert Sie damit. Sämtlicher Nippes ist auf dem Sperrmüll; es gibt keine Kerzen. Und auch keine Blumen. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie Blumen heranschaffen. Wichtige Utensilien befinden sich in Griffnähe, also offen herumliegend. Im Kühlschrank ist nur, was reingehört: Bier, Wurst, Schwarzweiß-Filme. Joghurt ist sicher Joghurt, niemals Creme. Der Wohnungs-Geruch erzählt eine Geschichte, zum Beispiel, was es am Vorabend zum Essen gab - oder die Woche zuvor. Die Klobrille befindet sich immer da, wo sie gerade sein soll. Brösel, Sand und Staub kitzeln angenehm an den Füßen und später überall, weil Sie ins Bett gehen, ohne die Fußsohlen zuvor aneinanderzureiben.

Und jetzt stellen Sie sich vor, eine Frau würde sich in Ihrer Wohnung befinden. Danke, das genügt.

Man muss zugeben, so schlecht ist das Singleleben nicht. Sicher, letztendlich hält die Freude daran nicht ewig. Alleinsein macht eindeutig mehr Spaß, wenn man einen Partner hat und man eigentlich nie allein ist. Dann kann es sogar geradezu befreiend wirken. Ein Vater oder eine Mutter mit drei Kindern würde alles dafür geben, die Bude mal für sich zu haben. Oder eine Woche auf einer einsamen Nordseeinsel zu verbringen. Ein Single wünscht sich genau das Gegenteil.

Wie immer reizt uns also, was wir nicht haben können. Deshalb sollten Kontaktbörsen eine ganz andere Art von Service bieten: Tauschbörsen für Singles und Paare. Wer die Nase so richtig voll hat von Zweisamkeit und Gruppenzwang, könnte einen Single kontaktieren, der für vier Wochen Partnerschaft oder Familienprogramm auf Probe gebucht hat. Die Mutter beispielsweise zieht solange in die Single-Wohnung. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird die vormals Alleinstehende nach Ablauf der Zeit gerne in ihre Wohnung zurückkehren und die Ruhe genießen. Was nicht sicher ist: Dass sie die Mutter wieder aus ihrer Singlebude rausbekommt.

Und schon haben wir eine neue Erkenntnis gewonnen: Schopenhauer wollte mit seinem Ausspruch vermutlich etwas ganz anderes sagen: "All unser Übel kommt daher, das wir nicht allein sein DÜRFEN!"

An dieser Stelle empfehlen wir allen Singles, die ihrer Situation jetzt noch immer nichts abgewinnen können, sich vor Augen zu führen, was ihnen erspart bleibt. Die Lektüre der folgenden Kolumnen-Auswahl wird diesen Prozess unterstützen:

Männer, lasst die Stiefel an Wir müssen reden Der Feind an seinem Tisch Vom Prinz zur Kröte Kampf um die Knipse Jammerliese liebt Stinkstiefel Dinner am Rande der Beziehungskrise Und ewig spricht das Weib Flaute im Bett

Allen Gebundenen, die sich selbst - oder gegenseitig - über die Feiertage auf den Mars wünschen, seien folgende Essays ans Herz gelegt:

Weihnachtsfeiern sind schlecht für die Ehe Erotik-Campen als Paartherapie Die Kunst des Hintergehens Schöner Schlussmachen Trau Dich, Altar! Die totale VerWIRung Das Katzenklo steht still und schweiget

Allen Singles und Gebundenen wünschen wir ein wunderbares Neues Jahr. Und nicht vergessen: Egal wie es gerade ist, es könnte schlimmer sein!

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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