Lifestyle-Müsli aus dem Netz:"Gojibeeren sind der Renner"

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Der trendige Müsliesser bestellt seine Haferflocken seit April im Internet und garniert sie mit Beeren aus Tibet. Das Symbol der Ökobewegten wird zum Lifestyleprodukt - seit einer Idee dreier Studenten.

Birgit Lutz-Temsch

Seit April 2007 ist mymuesli.com online. Auf der übersichtlich und schlicht designten Seite kann der Müslikäufer aus mehreren Grundmischungen und vielen weiteren Zutaten auswählen. Das Ganze kommt wenige Tage später per Post nach Hause. Drei Studenten aus Passau hatten diese so einfache wie geniale Geschäftsidee und setzten sie nach Ihrem Examen in die Tat um. Hubertus Bessau (26) ist einer von ihnen.

Stylish und gesund: Müsli aus der Rolle. (Foto: Foto:oh)

sueddeutsche.de: Was frühstückst du jeden Tag?

Hubertus Bessau: Ich esse tatsächlich immer unser eigenes Müsli. Außer sonntags, da gibt's vielleicht auch mal ein Spiegelei. Bei uns zu Hause stehen die ganzen Fehlmischungen, also Zusammenstellungen, bei denen sich einer unserer Mischer vertan hat. Die muss man auch aufessen. Außerdem probieren wir neue Sachen aus, bis wir vielleicht tatsächlich mal die 566 Billiarden möglichen Varianten durch haben.

sueddeutsche.de: 566 Billiarden?

Bessau: Ja, weil wir 75 Zutaten haben. Alles in allem ergibt das 566 Billiarden Kombinationsmöglichkeiten.

sueddeutsche.de: Die Idee zu mymuesli hattet ihr, als ihr an einen Badesee gefahren seid und schlechte Müsli-Werbung im Radio gehört habt. Esst ihr schon immer viel Müsli?

Bessau: Seit ich denken kann. Ich habe immer Wert auf ein gutes Müsli gelegt, aber es war nie perfekt. Ich dachte aber nie, dass man da auch selbst was dran ändern kann. So richtig intensiv wurde es während des Studiums - und dann in der Zeit, in der wir uns mit dieser Idee beschäftigt haben.

sueddeutsche.de: Wie lang hat es gedauert von der Idee zur Öffnung der Seite?

Bessau: Zwei Jahre. Ungefähr sechs Monate lang war es einfach ein Spaß. Irgendwann haben wir uns immer konkretere Gedanken darüber gemacht, weil wir gesehen haben, dass die Idee wirklich nicht schlecht ist. Richtig intensiv haben wir etwa ein Dreivierteljahr daran gearbeitet. Es hat schon allein sechs Monate gedauert, bis die ganzen Lieferanten gefunden waren.

sueddeutsche.de: Wie seid ihr dabei vorgegangen?

Bessau: Wir ergänzen uns in unseren Stärken ziemlich gut. Ich habe die Internetseite programmiert, Phillipp Kraiss hat die Zutaten recherchiert, Max Wittrock hat sich um Kommunikation gekümmert und macht jetzt auch unsere Öffentlichkeitsarbeit.

sueddeutsche.de: Habt ihr zuvor eine Marktanalyse gemacht?

Bessau: Die fand im Supermarkt und in der Küche statt. Wir haben uns alles Mögliche aus dem Internet und Bibliotheken besorgt und viele Verbände angesprochen. Wir haben alles genutzt, was man als Student so machen kann, wenn man keine Tausende Euro für eine Marktstudie ausgeben kann. Außerdem ist es ein neues Produkt - ein custom-mixed Müsli gibt es nicht. Passende Marktforschung zu bekommen, ist also sowieso schwierig. Wir haben es einfach ausprobiert.

sueddeutsche.de: Welche Kriterien waren euch bei der Auswahl der Zutaten wichtig?

Bessau: Da gibt es einmal objektive qualitative Maßstäbe - Schädlingsbelastung, Mikroorganismen, die nicht reingehören, der sogenannte Becquerel-Wert und Ähnliches. Biochemische Parameter. Damit haben wir uns aber erst später auseinandergesetzt, und da auch mal Chemiker um Rat gefragt. Anfangs haben wir uns einfach einzelne Proben von Zutaten kommen lassen und Blindtests gemacht. Und geschaut, was schmeckt.

sueddeutsche.de: Mit welchem Ergebnis?

Bessau: Wir haben festgestellt: Bio schmeckt einfach viel besser. Ich war da immer ein bisschen skeptisch, aber es ist wirklich so. Das ist auch der Hauptgrund, warum mymuesli biologisch ist. Weil es schlicht besser ist. Interessant ist auch, dass die Zusammenstellung verschiedener Zutaten ganz anders schmeckt als die Ingredienzen einzeln. Das war eine ganz schöne Herausforderung, eine Formel zu entwerfen, die die Zutaten so kombiniert, dass danach ein brauchbares Müsli rauskommt.

sueddeutsche.de: Ihr habt auch ziemlich ausgefallene Sachen im Repertoire, Alfalfa oder Bio-Gummibären zum Beispiel - wie seid ihr darauf gekommen?

Bessau: Wir haben uns auch international umgeschaut, was es an Trockenfrüchten gibt, und was in anderen Ländern in den Schalen landet. Da bekommt man einen schönen Überblick. Es ist aber nicht immer alles lieferbar - und wir haben nur Zutaten aufgenommen, die das ganze Jahr über in gleichbleibender Qualität verfügbar sind - damit die Kunden nicht enttäuscht sind, wenn sie im November nicht das gleiche Müsli bestellen können wie im März.

sueddeutsche.de: Aber der Lauf der Jahreszeiten mit seinen verschiedenen Früchten wäre ja eine Folge wirklich biologischen Essens ...

Die Müslimacher. (Foto: Foto: oh)

Bessau: Ganz lässt es sich auch nicht vermeiden, und es gibt daneben auch Preisschwankungen. Aber das sind dann Zutaten, die wir unbedingt wollten und brauchten.

sueddeutsche.de: Was ist am beliebtesten?

Bessau: Das schwankt ziemlich. Die Gojibeeren aus Tibet sind ziemlich erfolgreich.

sueddeutsche.de: Tatsächlich?

Bessau: Das hat wohl einen exotischen Reiz, die bekommt man nicht überall. Ich dachte, das würde nachlassen, wenn es erst mal alle probiert haben, das ist aber nicht so. Die Beeren sollen eine sehr gesunde Wirkung haben, bis hin zum Anti-Aging. In Hollywood ist das gerade die In-Beere.

sueddeutsche.de: Wegen ausgefallener Müsli-Zutaten habt ihr vor kurzem Probleme mit Google bekommen ...

Bessau: Ja! Das ist eine lustige Geschichte. Wir bieten nämlich auch Kleinserien an, als Weihnachtsgeschenke zum Beispiel. Firmen können ihr Logo aufdrucken, auf Wunsch übernehmen wir sogar den Endversand. In diesem speziellen Fall haben wir ein Hanfmüsli kreiert, das ein Hip-Hop-Laden verkaufen will. Weil wir Hanf da gerade neu als Zutat eingeführt hatten - was nichts mit Drogen zu tun hat! - haben wir auch Google-Anzeigen geschaltet.

sueddeutsche.de: Aber nicht lange.

Bessau: Ne. Es klingelte dann das Telefon und Google war dran. Wir sollten die Werbung abschalten, weil Google sowas nicht unterstützen würde. Ich habe dann lang mit der Dame diskutiert. Hanf-Handtaschen wären okay gewesen. Aber wenn es ums Konsumieren geht und da auch noch steht: "mit berauschender Wirkung", dann entspricht das nicht deren Richtlinien. Die hatte bei uns natürlich kein Mensch gelesen, diese 100 Seiten Kleingedrucktes.

sueddeutsche.de: Da ging also nichts.

Bessau: Nein. Aber die haben da wohl auch recht enge Vorgaben.

sueddeutsche.de: Müsli hatte lange Zeit einen Lila-Latzhosen-Touch. Ihr seid nun drei BWL- und Jurastudenten und perfektioniert das Müsli. Ist das nicht ein Widerspruch?

Bessau: Überhaupt nicht. Man sieht ja überall den Wandel von den Öko-hin zu Lifestyleprodukten. Bionade ist so ein Beispiel. Das ist ein Trend - nur beim Müsli gab es nichts, was Premium ist. Es gibt nichts Stylishes, das gesund ist und schmeckt. Da haben wir mymuesli einfach anders positioniert.

sueddeutsche.de: Wie?

Bessau: Man soll sehen, dass es was anderes ist. Die Packung ist ja nicht umsonst so weiß und rund. Da kann sich vielleicht die iPod-Generation drin wiedererkennen. Dann das Bunte in Richtung Pop-Art - es sollte was sein, das man gerne in der Küche stehen lässt.

sueddeutsche.de: Habt das auch ihr selbst designt?

Bessau: Ja. Wir hatten ein paar Entwürfe eines Designers aus Barcelona, aber die haben uns nicht so gefallen. So wie es jetzt aussieht, war es eigentlich ein Arbeitstitel, aber mit der Zeit fanden wir es so genau richtig.

sueddeutsche.de: Mischt ihr drei die Müslis immer noch selber?

Bessau: Nein, wir drei nicht mehr. Wir haben momentan elf Mixer, stoßen in unserer Manufaktur aber gerade an die Kapazitätsgrenzen und müssen deshalb in eine größere umziehen.

sueddeutsche.de: Ihr seid sehr erfolgreich mit eurer Idee. Übertrifft das die Erwartungen in eurem Businessplan?

Bessau: Äh, wir hatten keinen Businessplan.

sueddeutsche.de: Nein?

Bessau: Wir haben schon viele Ideen gehabt und viele Businesspläne geschrieben, aber bei dieser wussten wir gar nicht, womit wir rechnen können und ob das eine Idee ist, mit der man irgednwann mal Geld verdienen kann. Wir haben es einfach ausprobiert. Aber wir haben uns natürlich ein paar Gedanken gemacht.

sueddeutsche.de: Habt ihr mit diesem Erfolg gerechnet?

Bessau: Was uns überrascht hat, war das überwältigende Echo. Zuerst von den Kunden. Wir haben Hunderte Mails pro Tag bekommen, und 99,5 Prozent waren positiv. Dann haben es die Blogs im Internet aufgegriffen und schließlich die Printmedien. Das hat uns sehr überrascht. Denn im Prinzip ist es ja dann doch - nur Müsli.

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