Liebesbeweise an Brücken:Bolzenschneider gegen Lustschlösser

Vorhängeschlösser sind ein bevorzugtes Symbol verliebter Urbanisten. An Brücken festgeschlossen, soll der gehärtete Stahl nichts weniger belegen als die ewige Liebe. Romantikferne Bürokraten fürchten mancherorts jedoch um die Ästhetik des Stadtbildes - und rücken mit Bolzenschneidern an.

Max Scharnigg

Wenn der Staat sich mit dem diffizilen Thema Liebe befassen muss, bedient er sich oft seltsamer Mittel. In den meisten Fällen sind es nur Standesbeamte, neuerdings aber auch Bolzenschneider.

Mit so einem Gerät ließ zum Beispiel der Salzburger Magistrat im Mai dieses Jahres Schlösser aufbrechen, Liebesschlösser, um genau zu sein, die am Brückengeländer des Markatstegs befestigt waren.

Nach dem Ritual wird geknutscht

Vorhängeschlösser sind seit einigen Jahren ein bevorzugtes Symbol verliebter Urbanisten - Brücken in Rom, Paris und Köln, sogar die Münchner Tierparkbrücke sehen sich von Bügelschlössern verziert, in Stückzahlen, wie sie sonst nur in Kellergängen von Mietskasernen zu finden sind.

Im Sonnenlicht über Isar oder Rhein baumelnd wirken sie recht ortsfremd, zumal die Schlösser meistens noch individuell verschönert wurden und Namen ihrer Besitzer tragen. Die dazugehörigen Schlüssel werfen die Liebenden postwendend in den Fluss, und nach diesem Ritual wird, so darf man annehmen, an Ort und Stelle noch amtlich geknutscht.

Der angebrachte gehärtete Stahl soll fortan nichts anderes belegen als die ewige Liebe von Hans und Gretel oder Hans und Hans oder Gretel und Gretel.

Dass große Verliebtheit gelegentlich eruptiv an die Öffentlichkeit drängt, ist nun nichts Neues. Man kennt geschnitzte Initialen im Eichenstamm, Edding-Herzen auf Schulbank und Klotür, von Kleinflugzeugen gezogene Banner mit vollmundigen Schwüren - die ästhetische Beeinträchtigung durch solch zarten Vandalismus hielt sich allerdings in Grenzen.

Nun wird entfernt und bewacht

In Venedig aber, wo die Kombination aus romantischer Grundveranlagung und Brückenreichtum zu einer argen Liebesschloss-Plage führte, fürchtet man mittlerweile optischen und korrosionsbedingten Schaden und will den Brauch jetzt mit Bußgeld belegen. Ausschlag dafür gab wohl der jüngst konstatierte Befall der Rialto-Brücke - das Wahrzeichen war in den Jahren zuvor von Liebesschlössern noch verschont geblieben.

'Liebesschlösser' in Köln

Olli und Gabi forever: Auch diese beiden haben ihre Liebe mit Schlössern an der Hohenzollernbrücke in Köln verewigt.

(Foto: dpa)

Nun aber wird entfernt und bewacht, und die verliebten Schlossträger müssen sich vorsehen, was freilich den Kitzel und die Verschworenheit der Sache erhöhen dürfte. Vielleicht aber fällt dem einen oder andere Pärchenteilnehmer angesichts solcher Maßnahmen auch auf, dass es mit der Einzigartigkeit seines Vorhabens gar nicht mehr so toll bestellt ist.

Der Akt der Liebe wirft plagende Fragen auf

Wenn man das viertausendste Pärchen auf der Brücke ist, das seine Liebe mittels Vorhängeschloss beweisen möchte, liegt der Verdacht nahe, nicht mehr allzu originell zu agieren und eher romantischer Mitläufer, wenn nicht gar Spätzünder zu sein. Welche junge Liebe lässt das schon auf sich sitzen?

Zumal die Aussicht darauf, irgendwann im nächsten Halbjahr von der Straßenreinigung routinemäßig losgeeist und entsorgt zu werden, dem Akt ein wenig von seiner Strahlkraft nimmt und stattdessen plagende Fragen aufwirft: Ist unsere Liebe stärker als ein Bolzenschneider? Ist sie wirklich größer als die der anderen, die sich längst vor uns verewigt haben?

Zumindest im Fall der Salzburger Säuberungsaktion aber kann ein Pärchen diese Fragen ruhig bejahen. Alle Schlösser wurden damals nämlich entfernt bis auf eines, mit "S+H" beschriftet. Es widerstand mit extradickem Bügel der rohen Gewalt, der Staat war bei dieser Liebe machtlos. Vielleicht sollte er es bei "S+H" dann eben mit einem Standesbeamten versuchen.

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