Liebes Leben:Kinder sind Konservative

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Die Tochter mit zwölf Monaten in die Kinderbetreuung? Schadet das dem Kind? Eher nein. Schadet es der Mutter? Eher ja.

Von Franziska Storz

Die Gegner des Betreuungsgeldes konnten in den vergangenen Tagen ein freudiges Jodeldiplomfeuerwerk loslassen. In seiner bisherigen Form verstößt die Leistung laut Bundesverfassungsgericht nämlich gegen das Grundgesetz. Nicht der Bund, sondern die Länder seien dafür zuständig. Weiter heißt es: "Das Angebot öffentlich geförderter Kinderbetreuung steht allen Eltern offen. Nehmen es die Eltern nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig." Im ersten Quartal 2015 waren die Bezieher des Betreuungsgeldes laut Statistischem Bundesamt zu 94,6 Prozent Frauen und nur zu 5,4 Prozent Männer. Das riecht tatsächlich eher nach Prämie für ein antiquiertes Rollenmodell, das sich trotz dieser 150 Euro Zuschuss kaum eine Familie leisten kann - und nicht nach Wahlfreiheit.

Die schlammige Diskussion um das Betreuungsgeld fand ich trotzdem richtig wichtig. Und irgendwie hat sich in der Debatte auch ein kleiner Denkfehler offenbart. Deutschland hatte im Vergleich zu anderen skandinavischen Ländern oder Frankreich so viel nachzuholen in Sachen Kinderbetreuung, dass der temporeiche Ausbau nun grundsätzlich mit gesellschaftlichem Fortschritt gleichgesetzt wird. Je mehr Betreuungsangebote, desto moderner und familienfreundlicher ist das Land.

Ich selbst habe meine Tochter mit zwölf Monaten in einer Krippe abgeliefert. Da war sie ein entspanntes Würmchen mit zwei tapferen Zähnen im Gesicht, das weder Nein sagen konnte noch weglaufen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Kind mit 14 Jahren Heroin spritzt, weil ich sie früh in die Krippe gesteckt habe, halte ich für vertretbar gering. Ich habe mich immer gefragt: Schadet es dem Kind, wenn ich so früh wieder arbeite? Antwort: Nein. Das Kind blieb zu jedem Zeitpunkt quietschfidel. Allerdings habe ich eine andere Frage dabei vergessen, die mir aus heutiger Sicht fast genauso wichtig erscheint. Die Frage nämlich: Schadet es mir? Ich würde sagen: Ja. Ich habe deutlich Federn gelassen durch den Anspruch möglichst schnell, zuverlässig und flexibel wieder in der Arbeit mitschwimmen zu können. Viele Eltern schmeißen sich das Kind nur noch zu, Zeit zu dritt gibt es kaum. Familienzeit als Luxusgut.

Mein Kind würde in Sachen Familienpolitik höchst wahrscheinlich CSU wählen. Kinder sind Konservative in Reinform. Meins wünscht sich sonntags Biergarten mit Blasmusik und Wurstsalat, einmal im Jahr das Oktoberfest und kann sich auf der ganzen Welt kein schöneres Gewässer vorstellen als die Isar. Wahrscheinlich hält sie auch die Herdprämie für eine spitzenmäßige Idee. Mama immer zu Hause: Das klingt besser und konkreter als das abstrakte Wort "Wahlfreiheit". Selbstverständlich muss man nicht jeder Kinderidee nachgeben. Aber manchmal vielleicht etwas Tempo drosseln.

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