Lesen:Liebe, seitenweise

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So oft nimmt man es sich vor, ein Buch zu lesen. Und schafft es dann doch nicht. (Foto: Robert Haas)

Romane lesen die meisten nur noch im Urlaub. Dabei können Bücher vor allem auch im Alltag entspannen. Über die Kunst, die Lust am Lesen wieder zu entdecken.

Von Michael Ebmeyer

Wofür kochte das Wasser eben? Kaffee, stimmt, ja, gleich. Pläne für heute? Braucht es eigentlich nicht. Von Kapitel zu Kapitel hechten und erst Stunden später nach der letzten Seite wieder auftauchen, mit schwirrendem Kopf, mit ackernden Augen und ei­nem leichten Dröhnen in den Ohren - nennen wir es Leserausch. Es muss ja nicht gleich episch werden, so wie in einem Sommer vor zwanzig Jahren, als drei Wochen dänischer Dauerregen völlig unbemerkt blieben, weil der wirkliche Urlaubsort sowieso Mittel­erde war. Es kann auch das eigenartige und beglückende "Ich bin durchschaut worden und kann trotzdem darüber lachen"­Gefühl nach der Lektüre von Jonathan Franzens "Die Korrekturen" oder Siri Hustvedts "Was ich liebte" sein. Der Leserausch trat verlässlich ein, mal orkanartig, mal erfrischend, aber immer angenehm. Das Buch musste nur gut genug sein.Bloß, wann war das letzte Mal? Und warum ist es so lange her? Wie kann es sein, dass nun die Kinder fragen: "Wozu habt ihr eigentlich die ganzen Bücher, wenn ihr sie gar nicht lest?" Die Kinder, natürlich. "Seit die Kinder da sind, komme ich nicht mehr zum Le­sen." Ein Stoßseufzer, der immer auf Verständnis stößt. Dass Kinder einem die Zeit zum Lesen rauben, gilt als der­ art ausgemacht, dass man es jedem - sogar sich selbst - nachsieht, kaum mehr ein Buch zu bewältigen, solange sie klein sind.

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