Lebenskrisen:Kein Mitleid mit den Männern

Lebensberatungsangebote finden sich zuhauf. Ein Berliner hat sich nun darauf spezialisiert, Männern über Trennungen hinwegzuhelfen. Wurde der Mann zu lange vergessen?

Lena Jakat

Mit Seelenklempnerei hat Christoff Wiethoff eigentlich nichts am Hut. Er ist diplomierter Kommunikationswirt, arbeitet in der IT-Branche. Seit März bietet Wiethoff in Berlin-Charlottenburg Coachings für Männer an.

Mann, Liebeskummer, Trauer, iStock Photo

Bei vielen Männern kommt der Schmerz erst eine Weile nach der Trennung. Von der Beratungslandschaft wurden ihre Bedürfnisse lange ausgeblendet

(Foto: Foto: iStock Photo)

"Das ist mir eine Herzensangelegenheit", sagt er. Er will ihnen helfen, über ihre gescheiterten Beziehungen hinwegzukommen. "Frauen haben eine andere Form der Kommunikation", sagt Wiethoff. "Männer neigen eher dazu, zu verdrängen." Es gehe darum, sich die akuten Probleme erst einmal bewusst zu machen, sagt der Coach. Dann erst könne man etwas dagegen tun. Seine Workshops heißen "Entdeckung des Kriegers" oder "Die Welt des Kriegers", zu Gesprächen kommen bei ihm Atemübungen und Meditation. Wiethoffs Angebot wird angenommen, sein Terminkalender ist voll: "Der Bedarf ist da."

Mag Wiethoffs Kursplan auch ein wenig abgehoben erscheinen, so stellt sich doch die Frage: Sind solche Angebote nötig, vielleicht sogar überfällig? Wurden die Männer und ihre Bedürfnisse bislang schlicht vergessen?

Wer sich aufmacht, dieser Frage nachzugehen, begibt sich auf ein Minenfeld aus Aktivisten, Feministinnen und Männerversteherinnen. Denn es ist überraschenderweise vor allem auch das "schwache Geschlecht", das sich für die Männer starkmacht. "Es ist ein Drama", sagt Astrid von Friesen. Die Psychotherapeutin, die sich selbst zugleich als "Feministin und Maskulinistin" bezeichnet, ist der Ansicht, dass Frauen im emotionalen Bereich die Deutungshoheit besäßen: "Männliche Gefühle werden ausgelöscht", sagt sie. Von Friesen meint damit, dass in Trennungssituationen viele Berater zur Position der Frau neigen. "Der Feminismus, die Frauenbewegung war historisch absolut notwendig", so die 56-Jährige. Inzwischen habe sich das Geschlechterverhältnis allerdings umgekehrt. "Es herrscht eine völlige Mitleidlosigkeit gegenüber den Männern."

"Ich bin kein Freund von Täter-Opfer-Schemata", sagt Wiethoff, der Männercoach. "Es geht darum, herauszufinden, was man konkret tun kann - oft sind ja auch Kinder im Spiel."

2008 wurden in Deutschland 191.948 Ehen geschieden. Dazu kommen Tausende Partnerschaften ohne Trauschein, die zerbrochen sind. Kinder aus diesen Beziehungen leben nach der Trennung noch immer viel häufiger bei der Mutter. Kritiker monieren, dass das Familienrecht die Väter benachteilige. "Laut UN-Kinderrechtskonvention hat ein Kind das Recht auf beide Elternteile", sagt Karin Jäckel. "Das ist in Deutschland nicht vollständig umgesetzt." Die Beraterin und Publizistin schrieb bereits vor 13 Jahren über "den gebrauchten Mann".

Männern muss das Wasser bis zum Hals stehen

Da den Frauen zumeist die Kinder zugesprochen werden, hätten sie nach einer schwierigen Trennung oft kein Interesse, einen Kompromiss zu finden, erläutert Jäckel. "Sie sind ja auf der Gewinnerseite." Ein "fehlgeleitetes Frauenselbstverständnis", sagt Jäckel. "Frauen neigen dazu, Kinder als Racheobjekte zu missbrauchen", so von Friesen.

Auch Wiethoffs Scheidung war schwierig. Das ist jetzt drei Jahre her. Aus seinen eigenen Erfahrungen heraus beschloss er, anderen zu helfen. "Männer brauchen länger, um über gescheiterte Beziehungen hinwegzukommen", sagt der Wahlberliner.

Matthias Stiehler leitet die Aids-Beratungsstelle im Dresdner Gesundheitsamt. Nebenbei berät der studierte Theologe Männer in Krisensituationen, mit seiner Frau zusammen Paare mit Beziehungsschwierigkeiten. Er wehrt sich gegen Verallgemeinerungen, doch auch er macht Tendenzen aus. "Männer kommen erst, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht", sagt er. Sie hätten oft mehr Probleme damit, Trennungen zu akzeptieren.

80 Prozent aller Scheidungen werden von Frauen eingereicht.

"Männer neigen eher zum Durchhalten", sagt Stiehler. "Duldsamer", nennt sie seine Kollegin von Friesen. Oft stellten die Frauen den Männern die Paarberatung als Ultimatum, so der Dresdner. "Viele kapieren erst dann, wie gravierend die Probleme sind. Die Erschütterung ist dann groß."

Die Berater und Therapeuten sind sich einig: Bislang wird den Männern zu wenig Hilfe angeboten. "Sie brauchen jemanden, der sie in ihrer Not sieht und akzeptiert", sagt Stiehler. Astrid von Friesen fordert ein Verzeichnis "männerfreundlicher Beratungsadressen", Karin Jäckel ein flächendeckendes Beratungsnetz für Männer. Es habe sich allerdings schon viel geändert, meint die Publizistin Jäckel. "Es gibt ein gesellschaftliches Bewusstsein, dass Männer zu Randfiguren geworden sind, dass Kinder auch ihre Väter brauchen." Das auch zu akzeptieren, wenn man selbst in einem Sorgerechtsstreit stecke, sei dagegen sehr viel schwieriger.

Mit dieser Situation ganz praktisch umzugehen, fernab von gesellschaftlichen Diskursen, dabei will auch der Berliner Christoff Wiethoff den Männern helfen. In seinen Seminaren wappnet er sie dafür, allein zurechtzukommen - als sanftmütige Krieger.

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